Tatsächlich wurde ich von der Gesellschaft in die Schublade „Jungmutter“ gesteckt. Ich war 21. Eigentlich genau im besten Alter für Kinder, wenn man sich die Entwicklung der Menschheitsgeschichte ein wenig anschaut. Von 20 bis 29 ist – rein biologisch gesehen – der beste Zeitraum, um Kinder in die Welt zu setzen.
Kinder raus aus dem Lebenslauf!
Ich erinnere mich noch an eines meiner ersten Vorstellungsgespräche, das ich noch während der Karenz mit Frau Schnecke wahrnahm. Ich war furchtbar nervös, meine Hände waren verschwitzt, meine Knie zitterten. Es war ein riesen Jobangebot, das mir mein Uniprofessor weiterleitete mit den Worten: „Der perfekte Job für Sie.“ Er wusste von meinen „anderen“ Umständen, von meiner Familie, schließlich war ich bei der Diplomprüfung im fünften Monat. Und er hatte recht, dieser Job war wie für mich gemacht. Ein neues, brandaktuelles Thema, für das es noch wenige Spezialisten gab. Ich war darauf spezialisiert – schließlich forschte ich darüber. Also schickte ich meine Bewerbung ab, nachdem Herr Bart mir versicherte: „Wir schaffen das. Nutz die Chance, ich unterstütze dich.“
So stand ich furchtbar aufgeregt, aber top vorbereitet mit jeder Menge Studien- und Fachwissen vor der Tür, ehe ich hineingebeten würde. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Mit mir waren noch zwei weitere Bewerber dort – das würde ich doch schaffen, oder? Also durchatmen, sich erden, nochmals alles im Kopf durchgehen. Ich würde es schaffen. Selbstbewusst, ehrgeizig, überzeugt. Noch heute spüre ich die Emotionen und kann mich an die Gerüche vor Ort erinnern.
Das Gespräch begann ganz locker, wir scherzten, unterhielten uns, er „überprüfte“ meine fachliche Eignung. Und er war sichtlich von meinem Werdegang, meiner Erfahrung und meinen Leistungen angetan. Ein Studium in Mindeststudienzeit, Mitarbeit an einem großen Forschungsprojekt, ein Auslandsaufenthalt, Fachwissen. Ich wusste, er will mich als Assistentin. Ich spürte seine Überzeugung. Er war beeindruckt von mir, das war nicht zu verkennen und ich dachte mir schon: Siehst, den Job hast du in der Tasche. Ein großer Karriereschritt, mein Traum könnte sich erfüllen.
Zu Ende des Gesprächs schaute er noch einmal flüchtig über meinen Lebenslauf und hielt kurz inne. Sein Blick heftete an einem winzigen Detail, das sich Familienstand nennt: zwei Kinder. Er schaute mich an, musterte mich und plötzlich war meine ganze Gelassenheit vorbei, ich spürte, wie ich unsicher wurde. Er durchbohrte mich mit Fragen, wie ich mir den Job mit zwei Kindern vorstellen würde, denn ich müsse auch reisen. Fragen nach der Betreuung, was im Krankheitsfall wäre etc. standen plötzlich im Raum und ich merkte sein Zweifeln. Er war im Zwiespalt. Und vertröstete mich mit den Worten: Es gibt noch andere Bewerber, er würde sich melden.
Ich kannte die Antwort schon. Dachte ich. Tatsächlich meldete er sich wenige Tage später bei mir und sagte mir (beinahe wortwörtlich): Er sei beeindruckt von meinem Wissen und meinem Können, es war kein Bewerber dabei, der annähernd mit mir mithalten könnte. Wenn ich doch nur keine Kinder hätte. Ich sei noch jung und würde nicht abschätzen können, wieviel Verantwortung der Job mit sich bringe – das sei mit Kindern nicht vereinbar.
Damals war ich 21
Und am Boden zerstört. Die Jungmutter-Schublade hat zugeschlagen. Ich habe mich ja schon daran gewöhnt, die große Schwester oder das Aupair-Mädchen zu sein. Gut, irgendwann wird mir mein junges Aussehen Vorteile verschaffen. Irgendwann werde ich mich nicht mehr darüber ärgern, stets deutlich jünger geschätzt zu werden. Meine Kinder waren mir in jungen Jahren trotz meines Erfolges eine Karrierebremse – und das, obwohl ich unsere beiden Wunschkinder im besten gebährfähigen Alter bekommen habe.
Da hält sich meine Verwunderung in Grenzen, dass „junge Menschen“ sich eher der Verwirklichung ihrer Karriere zuwenden, als ihre wertvolle Zeit in die Kinderplanung zu investieren. Wer sich etwas aufbauen möchte, darf einfach keine Kinder bekommen – schulische Ausbildungen, aber auch Selbstfindungsphasen werden immer länger. Da ist kein Platz für Kinder – zumindest nicht unter 30, wenn man sich Statistiken anschaut, in welchem Alter das erste Kind geboren wird (natürlich gibt es Ausnahmen, viele Ausnahmen, das ist mir klar). Doch welchen Anreiz sollten junge Menschen – vor allem junge Frauen – haben, im besten gebährfähigen Alter Kinder in die Welt zu setzen, wenn Kinder immer als Karrierebremse gesehen werden?
Als Jungmutter habe ich mich durchgeschlagen und durchgeboxt – es war nicht immer leicht. Vor allem die Vorurteile machten mir zu schaffen. Uns wurde tatsächlich gratuliert, dass wir das Kind behalten wollten. Es dauerte bis es durchsickerte, dass unser Gegenüber von einem „Unfall“ ausging und es als mutig empfand, das Kind zu behalten. Aber das war doch unser Wunschkind! Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, in jungen Jahren Kinder in die Welt zu setzen. Nein, wir waren nicht zu faul zum Arbeiten (immerhin habe ich in jeder Karenz gearbeitet oder mich weitergebildet). Und wir wollten auch nicht dem Staat das Geld aus der Tasche ziehen.
Wir hatten immer die Vorstellung, unser Leben mit unseren Kindern zu gestalten. So lernte ich viele verschiedene Arbeitsbereiche kennen, bildete mich stetig fort und kann heute auf einen bunten und abwechslungsreichen Lebenslauf blicken, der mich zu dem machte, was ich bin: Eine selbstbewusste und selbständige „ehemalige Jungmutter“, die nur allen jungen Müttern raten kann: Kneift die Arschbacken zusammen, ihr schafft das. Und lasst euch helfen – das ist kein Zeichen von Versagen, sondern eine wichtige Unterstützung im Leben mit Kindern. Das gilt übrigens auch für Eltern 30+.
Kennst du ähnliche Situationen?
Deine Anna
[…] 1) Daniela von welovefamily.at: https://www.welovefamily.at/an-den-chef-der-mich-nicht-einstellen-wollte/ […]