Kind, 4 Jahre, redet ständig dazwischen

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Mein Sohn ist 4 Jahre alt (bald 5) und wir arbeiten seit Monaten daran, dass er nicht immer dazwischen spricht. Wenn wir kommunizieren oder Besuch da ist, dann lässt er uns nie in Ruhe reden!? Gibt es da Tipps und Tricks? Danke!

 

Hallo,

dass Kinder in diesem Alter dazwischenreden ist völlig normal – und kann auch unglaublich „nerven“. Mich stört es übrigens auch bei Erwachsenen, die einem ständig ins Wort fallen, nicht aussprechen lassen und es nicht schaffen, sich zurückzunehmen – du siehst, das ist eine große Aufgabe.

 

Doch warum unterbrechen Kinder bzw. reden dazwischen?

Kinder wollen Aufmerksamkeit – egal ob positiv oder negativ. Wenn sie ein Gespräch unterbrechen und die Eltern schimpfen, dann haben sie ihr Ziel erreicht: Sie bekommen Aufmerksamkeit. Kinder möchten dazugehören, sie möchten ein Teil unseres Lebens sein. Wird ihr positives Verhalten zu wenig beachtet, dann versuchen sie die Aufmerksamkeit durch negatives Verhalten zu bekommen. Es ist auch immer wichtig einen Blick auf das Alter des Kindes zu richten: Bei einem 4-jährigen Kind spricht man von etwa 20 Minuten ungestört reden – zwei Stunden sind unrealistisch.

Dein Kind kann nichts dafür, wenn es dich unterbricht. Sein Verhalten ist entwicklungsbedingt. Das hat zwei Gründe:

  1. Er ist erst mit etwa 4 Jahren in der Lage, sich in andere Personen hineinversetzen zu können. Dein Sohn lernt langsam so etwas wie Empathie und diese braucht er um zu verstehen, warum du jetzt gerade aussprechen möchtest, warum es dich stört und er braucht Empathie auch um zu lernen sich zurückzunehmen. Dein Sohn beginnt erst zu realisieren, dass sich die Welt nicht nur um ihn dreht. Bis etwa drei Jahre hat dein Sohn eure Bindung als „eins“ erfahren – eine Unterscheidung zwischen ihm und dir hat sich erst langsam entwickelt.

Kinder können ihre Bedürfnisse noch nicht aufschieben und auch ihre Gedanken. Ihr Kommunikationsbedürfnis ist groß. Aber es gibt noch einen Grund:

  1. Sein Kurzzeitgedächtnis: Dein Kurzzeitgedächtnis ist noch nicht stark genug entwickelt, um sich Gedanken, Wünsche oder Bedürfnisse länger merken zu können. Daher macht er was? Er sagt es sofort. Ohne zu zögern und ohne darauf Rücksicht zu nehmen, ob es für dich gerade passt.

Die gute Nachricht: Sein Kurzzeitgedächtnis wird sich entwickeln und er wird sich Sachen länger merken können – gerade, wenn er schon bald 5 Jahre alt wird seid ihr hier schon ein großes Stück weiter. Aber dann gibt es noch eine andere Schwierigkeit: Es ist für Kinder schwer zu analysieren und zu verstehen, wann es ok ist zu unterbrechen und wann nicht. Ist es in Ordnung zu unterbrechen wenn ich aufs Klo muss und Hilfe brauche? Wenn ich durstig bin? Mich verletzt habe? Oder spielen möchte? Oder Nähe brauche? Mir langweilig ist?

Hmmm, gar nicht so einfach. So geht es uns als Erwachsene doch auch oft: Darf ich das wichtige Meeting mal schnell unterbrechen, oder soll ich besser warten? Dieses Fingerspitzengefühl lernen Kinder jedoch erst im Laufe der Sozialisation und da gehört es auch dazu, Fehler zu machen.

Wichtig für dich ist zu wissen, dass dein Kind nicht absichtlich unterbricht oder aus Vorsatz handelt. Es wäre also unangemessen dein Kind für ein Verhalten zu bestrafen oder mit ihm zu schimpfen, das er aus seiner Impulsivität noch gar nicht kontrollieren kann (und was auch Erwachsenen schwer fällt). Denn sind wir mal ehrlich zu uns: Lassen wir unser Kind immer aussprechen oder fallen wir ihm auch manchmal ins Wort? Ich erwische mich da schon dabei.

 

Was du nun tun kannst, um dein Kind bei diesem Prozess zu unterstützen:

  1. Sei ein Vorbild. Wenn du mit deinem Kind sprichst, dann hör im zu, lass ihn ausreden, zu Wort kommen. Passiert es dir doch einmal, dann entschuldige dich dafür – so merkt auch dein Kind, dass du seine Bedürfnisse ernst nimmst.
  2. Erinnere dein Kind immer wieder daran, dass du ihn auch aussprechen lässt und es auch umgekehrt möchtest.
  3. Die Freundin kommt zu Besuch? Bereite ihn darauf vor, kündige den Besuch an und auch deine Erwartung. Trefft eine Vereinbarung.
  4. Wenn du gerade telefonierst, dann biete deinem Kind an, sich zu dir zu setzen und inzwischen ein Buch anzuschauen. So fühlt es sich nicht ausgeschlossen. Dasselbe gilt auch bei Besuch – gerade dann fühlen sich Kinder um ihre Aufmerksamkeit betrogen. Biete ihm dann neben dir zu sitzen, beziehe ihn mit ein.
  5. Die Besucher-Schachtel. Wenn dein Kind mit deinem Besuch um Aufmerksamkeit buhlt, dann stelle eine Besucher-Schachtel mit besonderem Spielzeug zur Verfügung, dass nur dann bespielt werden darf, wenn Besuch da ist. Sonst bleibt sie verschlossen.
  6. Dranbleiben! Erinnere dein Kind immer daran, dass du gerne aussprechen möchtest, gib ihm dann aber auch die Möglichkeit, zu Wort zu kommen.
  7. Nonverbale Aufmerksamkeit: Vielleicht genügt es deinem Kind schon, wenn du ihm nonverbal Aufmerksamkeit schenkst, indem du mit ihm über Berührung in Kontakt bleibst.
  8. Wenn dein Kind dich gerade unterbricht, dann mach nicht mehr, als ihn zu berühren. Zeige ihm, dass du ihn wahrgenommen hast. Rede dann aber normal weiter. Wenn du fertig bist, wende dich ihm zu und sag ihm, dass er jetzt dran ist. Diese Geste kann zu eurem Symbol werden – trefft eine Übereinkunft.
  9. Dein Kind darf auch reden. Vermittle deinem Kind das Gefühl, dass es auch etwas erzählen darf oder mitreden darf. Warum denn auch nicht? Es soll nur bitte warten, bis der andere fertig gesprochen hat.
  10. Gesprächsball. Vielleicht hilft es für den Einstieg, einen Gesprächsball zu verwenden. Derjenige, der den Ball hat, darf reden, die anderen hören zu. Dann wird er weitergegeben.
  11. Bedürfnis. Wenn dein Kind etwas braucht, dann darf es immer fragen.

 

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