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Als ich mit meinem ersten Kind schwanger war, vor 9 Jahren und zahlreicher schlafloser Nächte, habe ich die Schwangerschaft genauso behandelt wie meine Uni-Kurse: Ich habe Bücher gelesen, Studien recherchiert und verglichen, wichtige Notizen auf Post-it’s in der Wohnung verteilt und mich auf das Eltern-Sein wie auf eine Prüfung vorbereitet. Ich war immer eine gute Studentin mit exzellenten Noten und ich war sicher, eine 1+ Mama zu werden.
Ich schleppte meinen Mann in den Geburtsvorbereitungskurs, las alle Ratgeberbücher die mir in die Finger kamen, besichtigte alle Krankenhäuser und studierte die Aufzeichnungen über die Kaiserschnittrate, meldete mich bei Online-Foren an und wusste alles zum Thema Stillen. Ich habe alles mit einem umweltfreundlichen hypoallergenen Bio-Waschmittel gewaschen, meine Brustwarzen auf das Stillen vorbereitet, meinen Damm massiert und verschiedene Entspannungstechniken für die Geburt geübt. Meine Vorbereitung auf das Baby glich einem Stundenplan.
Dann hatte ich ein Baby.
Und, wie es allen Wöchnerinnen ergeht, erging es auch mir: Ich hatte Schmerzen an Stellen, wo ich gar nicht wusste, dass es schmerzen konnte. Meine Brüste wurden größer und größer – kurzzeitig fragte ich mich, ob sie explodieren könnten und bat meinen Mann ein Beweisfoto davon zu machen, das mich immer daran erinnern soll, dass ich nie eine Brustvergrößerung vornehmen werde. Meine Hormone fuhren Achterbahn und ich konnte lachen und weinen im Sekundenwechsel. Mein Bauch glich dem 4. Schwangerschaftsmonat, nur, dass er schwabbeliger war. Und wenn ich mein Baby anlegte, tat es höllisch weh. Ich verlor Unmengen an Blut und dachte mir:
Warum hat mir das alles niemand gesagt! Da war kein Kapitel und kein Kurs, der mich darauf vorbereitet hat.
Warum mir das niemand gesagt hat?
Darauf gibt es eine einfache Antwort: Ich wollte es nicht hören. Das ist wahr. Und damit bin ich nicht alleine. Als ich schwanger war, wollte ich nur über die Schwangerschaft, die Geburt, Windeln, Babyphone, Kinderwägen etc. reden. Horrorerzählungen von Geburten blendete ich ebenso aus wie das Rezept für Energiekugeln oder Tipps für die Zeit im Wochenbett. Mich interessierte das alles nicht.
Hier sind 10 Dinge, von denen ich mir gewünscht hätte, sie schon zu wissen:
1. Wenn du dein Baby zum ersten Mal in Händen hältst, hörst du vielleicht keinen Engelsgesang. Und auch die Welt hört sich nicht auf zu drehen. In Wirklichkeit hast du wahrscheinlich einen Doktor zwischen deinen Beinen, der deinen Dammriss näht und dir irgendeinen Wattebausch dorthin stopft, wo du dir geschworen hast, dass niemand wieder jemand oder etwas reinkommt. Oder die Hebamme drückt auf deinen Bauch und zieht an dem Rest der Nabelschnur, dass endlich die Plazenta geboren wird – auch wenn du dir schwörst nicht hinzuschauen, sie wird sie die Plazenta so vor die entblättern, dass du gar nicht daran vorbeischauen kannst.
2. Der erste Gang auf die Toilette wird ein Erlebnis. Sei nicht verlegen und lass dir dabei helfen. Die Gefahr, alleine auf der Toilette ohnmächtig zu werden, ist einfach zu groß. Wenn du glaubst, dieser Moment ist der Verlust deiner Würde, dann lass dir sagen, es ist nur der Anfang. Und es ist eine gute Vorbereitung auf die nächsten Jahre, in denen du dich von einem ungestörten Klogang alleine verabschieden kannst.
3. Stillen ist hart. Viel härter, als in allen Büchern stand. Es dauert einfach eine Weile, bis du die richtige Position gefunden hast, wie du dein schreiendes Baby am besten hältst und wie das Stillen am besten funktioniert. Egal ob du es richtig oder falsch machst, die ersten Male stillen tun weh. Hast du dich daran gewöhnt, lernst du den Milchstau kennen und wenn du nicht aufpasst, dann auch gleich die Brustentzündung. In der Theorie liest es sich ja leicht, wie du das Baby richtig anlegst, um einen Milchstau zu „entfernen“. Meine Stillberaterin war meine Ritterin in glänzender Rüstung. Und wenn das Stillen nichts für dich ist, dann lass dir kein schlechtes Gewissen einreden: Die Art und Weise wie du dein Baby fütterst ist belanglos zu der Art und Weise, wie du dein Baby liebst.
4. Am dritten oder vierten Tag nach der Geburt stürzen die Hormone ab. Halte dir diesen Tag frei und vermeide Besucher, die dich überfallen möchten. Du wirst an diesem Tag weinen, sehr. Ich habe grundlos geheult, einen ganzen Tag lang. Es ist der Tag an dem du das Gefühl hast, alles falsch zu machen. Der Situation nicht gewachsen zu sein. Keine gute Mutter zu sein und dass du das nie auf die Reihe kriegen wirst. Lass dir sagen: Es geht vorbei. Du darfst weinen.
5. Bleibe die ersten zwei Wochen am besten im Pyjama. Weißt du warum? Sobald Menschen wahrnehmen, dass du dich umgezogen und dein Gammeloutfit abgelegt hast glauben sie, du bist wieder fit. Dann ist es vorbei mit den lieben Freunden, die dir eine frisch gekochte Kraftsuppe bringen oder einen Kuchen.
6. Babys schlafen nicht immer. Das habe ich zwar oft gehört, aber schnell gemerkt, dass besagte Personen a) die Wahrheit ein wenig verzerrt haben, b) sie ein komplett anderes Verständnis von „schlafen“ haben, c) unter Schlafstörungen leiden oder d) glatt lügen. Sicher ist, Babys sind anders als Erwachsene. Manche schlafen besser, manche schlechter. Über kurz oder lang wird auch dein Baby schlafen.
7. Lass dir von niemandem einreden, dass du nicht das Beste für dein Baby tust. Es gibt nicht DEN einen richtigen Weg in der Elternschaft – es gibt so viele Wege und Möglichkeiten, wie du deinem Kind eine gute Mutter und ein guter Vater sein kannst. Hör auf dein Bauchgefühl!
8. Finde Hilfe – ob Nachbarschaftsgruppen, Stilltreffs oder bei der Rückbildungsgymnastik. Das Vernetzen mit anderen Müttern wird zu einer neuen Lebensader. Andere Mütter sind dein Tutor, ähnlich wie auf der Uni im ersten Semester.
9. Opfere dich nicht: Bitte eine Freundin, eine Nachbarin oder die Schwiegermutter sich um das Baby zu kümmern, während du einfach mal in Ruhe isst, duschst oder schläfst. Es ist nicht leicht eine Mutter zu sein. Gesteh dir ein, dass es mit einem Baby anstrengend ist und steh dazu, dass es dich manchmal nervt. Das hat nichts damit zu tun, dass du nicht dankbar für dieses kleine Wunder bist. Aber du musst auch keine 110% geben.
10. Mach viele Bilder, denn an vieles wirst du dich später nicht mehr erinnern.
Und dann gibt es eine Sache, die einem auch niemand sagt. Und wenn es dir jemand sagt, dann kannst du es nicht nachvollziehen. Das alles ist vergessen, wenn dich dein Baby zum ersten Mal anlächelt. Egal ob es die übergelaufene Windel ist, die kurzen Nächte oder die anstrengende Geburt: Ein Lächeln von deinem Baby macht das alles wieder gut. Wenn es sich an dich kuschelt, deinen Finger um 4 Uhr in der Früh fest umklammert, wenn es dich angluckst und dir freudig die Arme entgegenstreckt wenn es dich sieht.
Ich hätte mir gewünscht zu wissen, dass das erste Jahr mit dem ersten Kind mit nichts vergleichbar ist, was ich je zuvor erlebt habe. Egal, wieviele Kinder du hast, das erste Jahr bleibt immer besonders und es ist nichts, was du wieder in dieser Form genau so erleben wirst. Jeder Tag ist wunderbar. Jeden Tag geschieht ein kleines Wunder. Jeder Tag ist eine Reise. Jede Phase hat ein Ende, doch du weißt es noch nicht. Du wirst dich niemals wieder so fühlen. Dein Kind wird dich verändern, für immer. Du wirst immer wieder Dinge finden, die dir vorher noch niemand gesagt hat, denn du musst sie selbst erfahren und selbst erlebt haben. Es gibt kein Buch, keine Mutter und keinen Ratgeber, der dir genau sagen kann was dich mit deinem Baby erwartet. Denn du und dein Baby – ihr seid einzigartig.
Und: Ich hätte mir auch gewünscht zu wissen wie anstrengend das Leben mit einem zweiten oder einem dritten Kind ist, denn dann hätte ich beim ersten Kind noch aus jeder Mücke eine Minitragödie gemacht.