Wann haben eure Kinder begonnen zu gehorchen?

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Wann haben eure Kinder begonnen zu gehorchen, also zu folgen? Meine Tochter, 2 Jahre alt, tanzt mir nur auf der Nase rum. Ein „Nein“ hört sie überhaupt nicht. Sie macht was sie will. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Liebe Grüße, Petra

Liebe Petra,

danke für deine Frage: Es geht ja um zwei Dinge. 1.) Dein Kind reagiert auf kein Nein und 2.) dein Kind kooperiert nicht. Darauf möchte ich dir zumindest kurz antworten.

Kinder haben eine besondere Gabe: Die Fähigkeit, mit aller Macht und Vehemenz etwas einzufordern. Wir Erwachsene haben das bereits verlernt, wir geben nach wenigen Versuchen auf. Weil wir diese Fähigkeit nicht mehr haben sind wir oft darüber erschrocken, dass unsere Kinder ein so enormes Durchsetzungsvermögen haben und dazu noch eine irrsinnige Ausdauer. Verständlicherweise wünschen sich Eltern, dass ihr Kind irgendwie auf ein „Nein“ reagiert – aber wie wäre es, wenn du es bei den Sachen erwischt, die es gut macht? Frei nach dem Motto: Catch them by being good! Aufmunterung ist viel schöner als ein Nein und wenn auch dein Kind das spürt, dann wird es instinktiv das machen, was euch am Ende mehr Harmonie bringt.

Lesetipp: Wie viel Nein verträgt ein Kind?

Kinder müssen niemanden gehorchen – sie brauchen jemanden, zu dem sie aufschauen können. Versuch einfach einmal das Bedürfnis deines Kindes ernst zu nehmen und auch ihr Nein zu akzeptieren, dann wird es auch dein Nein eher annehmen. Gib ihr Zeit, ihre Persönlichkeit zu entwickeln – später wirst du auch wollen, dass sie nicht allem zustimmt und Ja sagt, oder?

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Gehorchen ist wie eine Art Dressur und deswegen wird es nicht klappen. Es geht darum, eigene Grenzen zu definieren, Klarheit vermitteln. Wenn du einfach nur so „Nein“ durch die Wohnung rufst, dann wird deine Tochter es nicht annehmen können. Probiere doch einfach einmal aus, sie dabei anzuschauen, auf ihre Ebene zu gehen, sie sanft am Arm zu berühren und ihr sagen „Nein, ich will das nicht!“ – und lass eine direkte Handlung folgen: Nimm sie aus der Situation. Lenk sie ab, biete ihr eine Alternative an. Wenn sie gerade die Blumenerde ausräumt, dann biete ihr eine Wühlkiste an, in der sie wühlen darf, oder stelle ihr Zaubersand für die Wohnung bereit. Wenn sie gerade Wasser interessant findet, dann gib ihr in der Badewanne die Möglichkeit, mit Wasser zu experimentieren.

Grundlage für eine funktionierende Beziehung ist eine starke Bindung, die zwischen Eltern und Kind entstehen muss. Durch die Bindung, die entsteht, wollen Kinder mit ihren Eltern kooperieren und meist tun sie das viel häufiger, als uns das bewusst ist. Es sind schon die Kleinigkeiten, die sie täglich machen: Wenn du deine Tochter anziehst, dann streckt sie dir vielleicht schon ihre Arme entgegen oder legt gerade ein Spielzeug aus der Hand. Wenn deine Tochter ihren Becher verschüttet, dann hilft sie dir vielleicht beim Aufwischen. Wenn du deinem Kind die Zähne putzen möchtest und sie macht den Mund auf, dann macht sie, was du von ihr möchtest. Wenn deine Tochter beim Haare föhnen sitzen bleibt, dann macht sie, was du möchtest. Wenn du ihr die Windeln wechselt und sie bleibt liegen, dann macht sie, was du willst. Wenn sie die Teller beim Abendessen auf den Tisch stellt, dann macht sie, was du willst.  Es gibt so viele Situationen im Alltag, in denen unsere Kinder das tun, was wir wollen. Sie kooperieren. Nur leider fallen uns Erwachsenen diese vielen Kleinigkeiten nicht auf und wir richten unseren Fokus auf jene Dinge, die nicht klappen. Diese Kleinigkeiten, die für uns selbstverständlich sind, übersehen wir genau deswegen so oft – dabei arbeiten unsere Kinder oft mit uns zusammen. Warum wir das nicht sehen ist ganz klar: Wir erwarten es. Bzw. unser Gehirn erwartet diese Reaktion, daher ist es nichts Besonderes und nichts, was das Hirn extra wahrnimmt. Es tut Kindern gut, wenn sie für ihre kleinen Taten auch Wertschätzung bekommen und bemerken, dass sie wahrgenommen werden. So wird es auch leichter, dass sie dann „funktionieren“, wenn wir es uns wünschen. Dazu musst du dein Kind nicht loben, es reicht, wenn du anerkennend mit dem Kopf nickst – lobst du dein Kind aber überschwänglich, dann kommt beim Kind die Botschaft an, dass sein Verhalten oder seine Kooperation unerwartet war. Und das ist sie nicht. Auch, wenn wir Erwachsene diese Erwartungshaltung haben. Juul hat schon Recht wenn er sagt, dass Kinder kooperieren wollen, denn sie tun es auch. Aber die Gesellschaft und auch unser Verhalten führen manchmal dazu, dass Kinder eben genau nicht mehr kooperieren, weil wir es ihnen aberzogen haben. Der oft gesagte Satz „Dafür bist du noch zu klein“ ist dafür nur ein Beispiel.

Was du also tun kannst:

  1. Gib deinem Kind eine wertschätzende Rückmeldung, wenn es kooperiert.
  2. Lebe deinem Kind Kooperation vor – es geht um ihre und deine Bedürfnisse: War deine Tochter in der Früh besonders schnell und ihr kamt pünktlich außer Haus, dann darf sie am Nachmittag ihrem Bedürfnis nach Langsamkeit nachkommen.
  3. Unterscheide zwischen Zwang und Freiwilligkeit: Wenn du dein Kind zu Kooperation zwingst, dann gehorcht es nur. Zwang hat jedoch in einer guten Beziehung zwischen Eltern und Kind nichts zu suchen – eigentlich in keiner Beziehung. Je öfter dein Kind zur Kooperation gezwungen wird, desto mehr Unwillen wird es verspüren. Dabei machen kleine Handlungen den Unterschied: Statt dein Kind vom Spielplatz zu tragen gegen ihren Willen, kündige an, dass ihr in ein paar Minuten geht und dann strecke ihr die Hand entgegen. Das genügt.
  4. Die innere Motivation erhalten: Ja, das Leben ist kein Ponyhof und dein Kind wird oft noch in Situationen sein, in denen es sich überwinden muss oder etwas tun muss, dass ihr nicht gefällt. Aber sie ist 2 Jahre alt. Ihre Kindheit ist jetzt. Kindheit ist kein Bootcamp und auch kein Assessment-Center. Die beste Vorbereitung für das Erwachsen-Sein ist, deinem Kind mit Zuwendung, Liebe und Geduld zu begegnen. Sei ein Vorbild und lade sie ein, mitzumachen. Je öfter du betonst wie wichtig es ist aufzuräumen, desto mehr wird daraus ein Kampf – die innere Motivation mitzuhelfen, wie Kleinkinder es gerne machen, schwindet. Dein Kind möchte ein Teil der Gemeinschaft sein, sie möchte ein Teil der Familie sein und dieses Gefühl der Verbundenheit ist mehr wert als eine Belohnung, die vielleicht für ein schön aufgeräumtes Zimmer ein Aussicht gestellt wird.

Hab Vertrauen in dein Kind und gib ihr Zeit. Deine Tochter ist noch sehr jung, sie entdeckt gerade ihr „Ich“, ihre Selbstwirksamkeit und möchte diese auch spüren. Überleg einmal für dich, in welchen Situationen du ihr mehr Freiraum anbieten kannst, welche Alternativen dir zum „Nein“ und Verbot einfallen – denn jede Grenze ist eine Begrenzung des Entdeckerdranges. Und spätestens in der Schule wünschen wir uns offene, lerngierige Kinder – also lassen wir ihnen diese Gabe, die sie schon mitbringen. Konzentriere dich auf dein Kind, verbringt viel Zeit miteinander und nimm ihre Bedürfnisse ernst.

Liebe Grüße, Daniela von welovefamily

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