Neue Studie: Und der Klaps schadet doch

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„Ein Klaps schadet doch nicht“ – diesen Satz hat bestimmt schon einmal jeder gehört. Wie häufig es immer noch vorkommt, dass Kinder für schlechtes Benehmen mit einem Klaps bestraft werden, zeigte ein Bericht der Unicef 2014:  80 Prozent aller Eltern haben ihren Kindern schon einmal einen Klaps verpasst. Dabei haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Rechtliche Lage zum Thema „Klaps“

Bereits 1989 wurde in Österreich mit der Einfügung eines kurzen Halbsatzes im § 146a ABGB das Züchtigungsverbot  gesetzlich verankert: „die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen und seelischen Leides sind unzulässig“. Im Laufe der Jahre wurde diese Formulierung noch deutlich präzisiert:

Kinder haben das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Nicht nur in Österreich ist dieses Recht im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch § 137 verankert:

…Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge einvernehmlich wahrnehmen.

Mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder wurde im Nationalrat wurde 2011 ein deutliches Zeichen gesetzt. So heißt es in Artikel 5:

(1) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung.

(2) Jedes Kind als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung hat ein Recht auf angemessene Entschädigung und Rehabilitation. Das Nähere bestimmen die Gesetze.“

2014 wurde das 25-jährige Jubiläum zum Thema „Gewaltfreie Erziehung“ gefeiert. Was so prägnant und präzise formuliert ist, findet in vielen Familien dennoch täglich statt: Die gesunde Watsch’n, weil uns hat sie ja auch nicht geschadet. Eine Studie anlässlich des 25-Jahre-Jubiläums hat ergeben, dass 78 Prozent der Befragten (1000 Teilnehmer) das Schlagen mit der Hand ablehnen. 49% gaben an, dass ein leichter Klaps in Ausnahmefällen zulässig ist, nur 33% lehnten den leichten Klaps eindeutig ab. Schlagen mit der Hand, heftige Ohrfeigen oder sogar das Prügeln mit Gegenständen wurden mehrheitlich deutlich mit über 90% abgelehnt. So erfreulich diese Entwicklung ist, so zeigt sie auch, dass ein Klaps noch immer toleriert wird. Und das muss sich ändern.

Doch warum greifen viele Eltern immer wieder auf diese Erziehungsmethode zurück? In In unseren Augen eine Methode, mit der es sich Eltern leicht machen. Und damit sie sich weniger schuldig fühlen, verwenden sie das Wort Klaps als Euphemismus – aber egal, wie man es bezeichnet: Es ist und bleibt schlagen. Ob ein Klaps auf den Po, den Windelpo, die Finger, eine g’sunde Watsch’n oder sonst etwas.

Jan Uwe Rogge findet zum Thema „Klaps“ klare Worte:

„Jeder noch so kleine Klaps ist eine Niederlage! Egal in welchem Alter! Damit setzt man keine Grenzen. Es zeigt nur, dass Eltern ihre Klarheit verlieren und hilflos sind.“

Und der Klaps schadet doch

Kindererziehung ist nicht immer einfach – das wissen wir aus eigener Erfahrung. Irgendwo haben wir mal den Satz gelesen:

„Schlägt jemand seine Frau, nennt man es Körperverletzung. Schlägt jemand sein Kind, nennt man es Erziehung.“

Und es wird nicht leichter, weil es so viele verschiedene Ansichten gibt, wie Kinder erzogen werden sollten. Jetzt gibt es jedoch das Ergebnis einer repräsentativen, weit angelegten Forschung, das zu erschreckenden Resultaten kam:

Eine Meta-Analyse von Studien aus 50 Jahren Forschungsarbeit kam nun zu dem Ergebnis, dass sich auch leichte Schläge auf die Entwicklung von Kindern auswirken. Die Ergebnisse wurden von Wissenschaftlern der University of Texas und der University of Michigan in der Zeitschrift „Journal of Family Psychology“ veröffentlicht.  Bei mehr als 160.000 Kindern wurden Untersuchungen und Beobachtungen durchgeführt, wie sich der leichte Klaps auswirkt.

Die Studie gelangte zu dem Ergebnis, dass der leichte Klaps schädliche Auswirkungen hat und keinesfalls dazu führt, dass sich die Kinder besser benehmen – zumindest nicht auf längere Sicht. Es macht laut der Studie auch keinen Unterschied, ob es ein harter Schlag oder ein leichter Klaps ist – Auswirkungen haben beide.

 

Klaps: Kein einziger Vorteil, aber viele Nachteile

50 Forschungsarbeiten wurden für diese Studie zusammengetragen und sie alle haben eines gemeinsam: Der leichte Klaps hat keinen einzigen Vorteil, aber dafür viele Nachteile:

  • Kinder, die zwischen 2-4 Jahren regelmäßig einen Klaps bekamen, hatten einen fünf Punkte niedrigeren IQ
  • Je öfter ein Kind einen Klaps bekommt, desto langsamer verläuft seine geistige Entwicklung
  • Trotzige Reaktionen gegenüber den Eltern
  • Psychische Probleme
  • Kognitive Schwierigkeiten
  • Kinder, die geschlagen werden, sind später öfter aggressiv und unsozial
  • Der Klaps auf den Hintern führt zwar kurzfristig zu einem besseren Verhalten, auf lange Sicht verschlechtert sich jedoch das Verhalten des Kindes
  • Kinder erfahren, dass es in Ordnung ist, Gewalt einzusetzen, um zu bekommen, was man will
  • Kinder erleben den Klaps als Stresssituation und Stress wirkt sich auf die Entwicklung negativ aus
  • Der Klaps hat enorme Auswirkungen auf das neurobiologische System
  • Das Kind lernt, das Konflikte mit Gewalt gelöst werden können
  • Im Gehirn verankert sich der Gedanke, dass Gewalt zu einer liebevollen Beziehung dazugehört
  • Mit jedem Klaps fühlt sich das Kind gedemütigt und als Versager
  • Das Selbstwertgefühl des Kindes wird geschädigt
  • Das Kind fühlt sich nicht geliebt und verliert das Gefühl der Geborgenheit
  • Ein Klaps ist nur die Vorstufe zu noch mehr Gewalt, weil die Hemmschwelle fällt

Noch mehr Folgen können direkt in der Studie nachgelesen werden.

Was Eltern stattdessen tun können, möchten wir euch nicht vorenthalten:

Alternativen zum Klaps

Der Klaps ist niemals eine vertretbare Erziehungsmethode. Er ist eine Kurzschlusshandlung, wenn Eltern die Nerven durchgehen – wenn Überforderung und Gereiztheit aufeinander treffen oder es das Kind geschafft hat, seine Eltern von 0 auf 180 in weniger als einer Sekunde zu bringen. Dann sind es jedoch die Eltern, die unbedingt lernen müssen, anders mit dieser Situation umzugehen.

In erster Linie ist es hilfreich, wenn sich Eltern von ihrer Vorstellung verabschieden: Manches hat man sich in der Schwangerschaft anders vorgestellt, auf manches war man einfach nicht vorbereitet. Manchmal bringen die Bedürfnisse des Babys einen an seine eigenen Grenzen, wie etwa beim Thema Schlafen. Wenn man als Mutter selbst schon aufgrund des Schlafmangels müde und erschöpft ist, wünscht man sich nicht mehr als einfach einmal zu schlafen und projiziert diesen Wunsch dann auf sein Baby. Schläft es dann aber nicht, wird man so richtig wütend und grantig. Schlaf doch endlich! Dir werden bestimmt noch andere Situationen einfallen, in denen du dich schon so gefühlt hast. Und es sind natürlich nicht nur die eigenen Vorstellungen, es sind auch die Vorstellungen und der Druck der Gesellschaft.

Wir möchten dir an dieser Stelle noch ein paar Tipps auf den Weg mitgeben, was du beim nächsten Mal ausprobieren kannst wenn du merkst, dass dir die Wut hochsteigt:

 

Was du tun kannst, um dich selbst zu entspannen

Ein chinesisches Sprichwort sagt:

„Wer wütend ist, verbrennt oft an einem Tag das Holz, das er in vielen Jahren gesammelt hat.“

Es ist für dich wichtig zu erkennen, dass nicht das Verhalten anderer für deine Gefühle verantwortlich ist. Wütend macht dich, was du über das Verhalten denkst und wie du es bewertest: Mein Kind ist unachtsam, frech, faul, egoistisch. Auch wenn wir in der Situation unser Denken als gerechtfertigt empfinden, so liegt der Grund für diese Gefühle denn in unserem Denken und nicht im Verhalten des anderen. Wir müssen also lernen, nicht mehr in Beschuldigungen und Verurteilungen zu denken und unsere nicht erfüllten Bedürfnisse annehmen. Welches Bedürfnis bleibt bei mir unerfüllt, wenn sich mein Kind nicht anzieht oder seine Hausübungen nicht macht? Nur wenn wir bereit sind, unsere unerfüllten Bedürfnisse offenzulegen, dann hat unser Gegenüber auch die Chance uns zu hören und zu verstehen, was mit uns los ist. Damit die Situation nicht eskaliert, probier doch einfach diese Tipps:

  • Tief durchatmen, mehrmals so richtig tief in den Bauch hinein und den Boden wieder unter seinen Füßen spüren. Ganz bewusst.
  • Schau in dich und frag dich, welches Bedürfnis gerade durch das Verhalten deines Kindes unerfüllt ist
  • Ich-Botschaften an dein Kind senden: Ich merke, dass ich jetzt richtig wütend werde. Jetzt werden wir zu spät zum Arzt kommen und ich werde schon ganz ungeduldig, weil ich darauf warte, dass sich meine Kinder die Jacken anziehen.
  • Das Kind miteinbeziehen: Es tut Kindern gut wenn sie merken, wie wir Erwachsene mit unserer Wut umgehen. Also ruhig dem Kind sagen „Ich bin jetzt so richtig wütend, weil….“ , dabei aufstampfen oder welchen Impuls du sonst spürst. Dann das Kind bitten, dir zu helfen. Gemeinsam tief einatmen, gemeinsam bis 10 zählen – so lange, bis du dich wieder beruhigt hast. Wichtig ist für dein Kind zu erleben, dass es in Ordnung ist wütend zu sein, aber dass man lernen muss, sich dann auch selbst zu beruhigen, ohne andere zu verletzen.
  • Statt dich vage auszudrücken, sei eindeutig: Statt „Hör mir zu“, sag: „Bitte schau mir in die Augen, wenn ich mit dir rede.“
  • Stell dir Gute-Laune-Fragen: Wenn du deine Gedanken änderst, dann verändern sich auch deine Gefühle. Lenk deine Gedanken also auf etwas Positives und frag dich z.B. wofür du glücklich sein kannst oder was du am meisten an deinen Kindern liebst.

 

Damit sich Kinder gesund entwickeln, brauchen sie Liebe und Geborgenheit. Das bedeutet nicht, dass man seinem Kind alles durchgehen lässt und ihm keine Grenzen setzt bzw. seine Bedürfnisse unterordnet. Kinder brauchen Erwachsene, die sie annehmen, die ihre Bedürfnisse wahrnehmen und angemessen auf diese reagieren. Nur wenn wir die Bedürfnisse unserer Kinder erfüllen, erfüllen wir ihren Wunsch nach Sicherheit und Zuwendung – zwei Bedürfnisse, die wir alle ins uns tragen. Wenn wir uns in einer Gemeinschaft aufgenommen fühlen, dann fühlen wir uns wohl. Kinder brauchen zuerst einmal die Wurzeln, die sich festigen, damit sie fest auf dem Boden stehen. In den ersten Jahren ist das ein geschützter, sicherer Rahmen, doch je älter sie werden, desto mehr brauchen sie Flügel, Vertrauen und die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln, zu scheitern, daran zu wachsen und zu wissen, dass sie zu Hause Halt finden.

Wir sind hier die Erwachsenen – wir haben es in der Hand, Vorbilder für unsere Kinder zu sein und wir können unser Handeln reflektieren, aus Fehlern und eigenen Emotionen lernen und so eine Kindheit mitgestalten, die von Liebe und Wärme geborgen ist.

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