Trösten: Wenn nur die Mama trösten darf

trösten macht stark
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Wie ist das bei euch? Lassen sich eure Kinder gut von anderen trösten?
Bei uns geht ohne Mama leider gar nichts. Er weint, ärgert sich, schläft nicht.
Mir geht’s echt nur mal um eine Stunde um zum Rückbildungskurs zu gehen, mich mal eine Stunde nur mit meinem Großen zu beschäftigen, während Papa den Kleinen bespasst/wiegt/trägt.
Bleibt es so oder wird es noch besser?

Hallo, vielen Dank für deine Frage.

Es ist gar nicht so selten, dass Kinder erstmals die Mama bevorzugen und andere Personen ablehnen. Viele Väter hören in ihrer Vaterkarriere den Satz „ Ich will zu Mama“ – und du kannst dir sicher sein, dass kein Vater diesen Satz gerne hört. Die Ablehnung des Kindes ist für andere Menschen genauso frustrierend, wie für dich die Tatsache, dass sich dein Kind von niemand anderem beruhigen lässt. Zurückweisung verletzt und tut weh. Sobald das Kind müde ist, überfordert ist oder sich verletzt hat, kann nur noch eine Person helfen: Die Mama. Ich kann deine Frustration verstehen, denn als Mama hast du einen 24-Stunden-Job und so wie du schreibst, hast du nicht einmal die Möglichkeit, dir eine Stunde Auszeit zu nehmen. Solange dein Kind bei dir ist, ist es das glücklichste Kind.

Mama-Kind: angeboren oder anerzogen?

Aber ist die Tendenz zum Mama-Kind angeboren? Gibt es Kinder, die von Beginn an so auf die Mutter fixiert sind, dass sie sich von niemand anderem beruhigen lassen? Die Bindungsforschung hat dazu eine ganz klare Antwort: Babys binden sich an Personen, damit sie überleben. Babys ist es im ersten Moment ziemlich egal, wer sich um sie kümmert, solange seine Bedürfnisse erfüllt werden. Jeder kann zur Bindungsperson werden. Normalerweise empfinden es Babys als nicht beunruhigend, wenn sich jemand anders um sie kümmert – so Richard Bowlby, Präsident des amerikanischen Centre of Child Mental Health und Begründer der modernen Bindungstheorie. Erst wenn Kinder in die sogenannte Fremdelphase kommen, beginnen Kinder zwischen vertrauten und fremden Personen zu unterscheiden. Doch jedes Kind ist anders. Nicht jedes Kind hält sich an den Plan und nicht jedes Kind ist gleich. Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster sagt ganz klar, dass es Kinder gibt, die eher Mama-Kind sind. Das hat aber nichts mit ihren Müttern zu tun und auch nicht damit, dass ihre Mütter Glucken werden, über ihren Kindern helikoptern oder nicht loslassen könnten, sondern es hängt vom Temperament des Kindes ab. Jedes Kind bringt seine ganz eigenen Persönlichkeitsmerkmale mit. US-Psychologe Jerome Kagan hat bewiesen, dass diese Merkmale bereits vor der Geburt im Gehirn angelegt sind: Ob sich ein Baby also herumreichen lässt oder sich von anderen Menschen trösten lässt, ist eine Frage der Hirnchemie und hat nichts mit der Erziehung zu tun. Kagan fand heraus, dass 40% alles Babys total pflegeleicht sind, wenig schreien und auf verschiedene Bezugspersonen gelassen reagieren. Das sind die Babys, die nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Weitere 40% sind jedoch anspruchsvoller und bevorzugen die Nähe von Mama und Papa. Trennungen bringen sie aus der Verfassung und sind Situationen, mit denen sie nicht gut klar kommen. 20% aller Babys sind hoch reaktive Babys, wie Kagan sie nennt. Diese Babys unterscheiden sich von anderen Babys, weil sie nicht nur besonders wach, sondern auch meist überdurchschnittlich weit entwickelt sind. Sie zeichnen sich aber auch dadurch aus, dass sei eine extreme Bindung zu einer primären Bezugsperson haben und mit Trennungen nicht umgehen können.

Das enge Verhältnis zu dir ist nicht verwunderlich: Dein Kind war schon 9 Monate in deinem Bauch, du hast es vielleicht gestillt und so eine enge Bindung zu deinem Kind aufgebaut. Diese prägende Zeit schweißt dich mit deinem Kind natürlich eng zusammen – und in den meisten Familien kommt noch dazu, dass du diejenige bist, die den Großteil des Tages mit deinem Kind verbringt, während der Papa arbeiten ist. Dein Kind ist dich deutlich mehr gewohnt.

Deine Zeit wird kommen

Dieser Satz gilt nun gleichermaßen für dich und den Papa, der unter der Zurückweisung auch leiden wird. Diese enge Bindung an eine Person ist in den ersten zwei Jahren vollkommen normal und auch wichtig. Dein Kind fühlt sich in dieser Zeit mit dir als eine Person, es kann noch nicht unterscheiden. Erst mit Ende des zweiten Lebensjahres nimmt sich dein Kind als eigenständige Person war. Mit dieser neuen Sichtweise beginnt auch ein erster Abnabelungsprozess und dein Kind öffnet sich für andere Personen. Andere Menschen werden interessanter und dann, dann kommt die Zeit für dich.

Für dein Kind ist es wichtig, dass du ihm das Bedürfnis nach ganz viel Mama-Einheiten zugestehst und es annimmst, dass dein Kind dich braucht. Hab keine Angst davor dein Kind zu verwöhnen, denn das tust du nicht, indem du ihm gibst, was er braucht. Er tankt bei dir Sicherheit, Vertrauen und Geborgenheit um sich auch irgendwann woanders geborgen und wohlfühlen zu können. Weil es aber für dich wichtig ist auf deine Ressourcen zu achten, darfst du sanft gegensteuern: Dein Sohn wird davon keinen Schaden bekommen, wenn er eine Stunde beim Papa bleibt, während du Energie auftanken kannst. Ja, dein Kind wird weinen, er wird schreien, er wird wütend sein. Das darf er auch. Aber er wird auch die Erfahrung machen, dass auch der Papa trösten kann, kuscheln und spielen kann.

Wie du die Beziehung positiv unterstützen kannst

Bindung und Vertrauen sind Bausteine für eine gute Beziehung – aber sie entstehen nicht über Nacht und sie können auch nicht erzwungen werden. Aber: Menschen sind Gewohnheitstiere. Vielleicht hilft es euch, eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf das Bedürfnis nach Mama-Nähe zu legen und zu schauen, wo der Papa hier seinen Platz hat und welche Aufgaben er übernehmen kann, die sonst nur dir vorbehalten sind. Um eine gute Beziehung aufzubauen, muss jeder investieren, sich Zeit nehmen und da sein – egal ob Papa, Oma, Opa, Tante, Pädagogin im Kindergarten oder Babysitter. Ob ein liebevolles Ritual am Abend, Geschichten vorlesen, gemeinsame Ausflüge, ein gemeinsames Spiel und vor allem: Echte Aufmerksamkeit. Wirklich da sein. Das spürt ein Kind.

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