Aggressive Kinder: Wut tut gut

Shutterstock ID: 573743635

Eine glückliche Familie – da entsteht doch ein Bild im Kopf von Mutter, Vater, Kind, harmonisch, glücklich, lachend, scheinbar ohne Probleme. Harmonie und Glück haben ihn unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Da passen dann kleine Nörgler, Trotzköpfe und Wutzwerge so gar nicht ins unser Bild der scheinbar perfekten Familie. Dabei sind genau die negativen Gefühle oft der Schlüssel für mehr Harmonie und Glücklichsein.

Gerade weil viele Menschen nicht gelernt haben ihre negativen Gedanken und Gefühle auszudrücken, sie einzuordnen, mit ihnen konstruktiv umzugehen und sie wertzuschätzen, streben wir nach Harmonie. Es macht uns Angst, uns mit unseren eigenen Gefühlen zu konfrontieren, gerade, wenn sie uns Seiten aufzeigen, die wir an uns noch nicht kennen oder die gesellschaftlich problematisch sind. Kinder bringen diese negativen Gefühle mit und lösen sie auch oft in den Erwachsenen aus. Ich kenne viele Mütter, die sagen, am liebsten hätte ich mein Kind da an die Wand geklatscht. Oder ich muss mich wirklich zusammennehmen, dass mir nicht die Hand ausrutscht.

Muss ein Kind immer glücklich sein?

Keineswegs, auch, wenn dieser Wunsch in den Erwachsenen tief manifestiert ist – die glückliche Bullerbü-Kindheit, unbeschwert, frei ist ein Ziel und etwas, an das sich unsere Kinder einmal erinnern sollen. So lobenswert dieser Traum von einer vermeintlich perfekten Kindheit auch ist, so muss es für die negativen Gefühle auch Platz geben. Evolutionär gesehen sind Wut und Aggression überlebenswichtig – sie dienen dem Schutz vor Schmerz. Wer sich also der Schmerzgrenze nähert, wird Wut ernten. Bei Kindern ist die Schmerzgrenze noch sehr niedrig, sie halten noch nicht so viel as und schützen sich entsprechend davor. Eltern müssen wahrnehmen und akzeptieren, dass ihre Kind Aggressionen haben. Diese negativen Gefühle und Ausdrücke sollen im Familienleben genauso ihren Platz haben wir Streicheleinheiten, Küsse und Kuscheln. Statt mit dem Kind zu schimpfen, wenn es die Mama als blöd bezeichnet, könnte man auch einfach ins Gespräch mit dem Kind kommen und fragen: „Du bist aber wütend, was hat dich denn so wütend gemacht?“

Marshall B. Rosenberg schreibt in seinem Buch, dass uns Wut mit unseren unerfüllten Bedürfnissen verbindet, es aber ein natürliches Gefühl ist, das durch unnatürliches Denken verursacht wird.

Was tun mit wütenden Kindern?

Kinder sind häufig wütend, weil sie etwas nicht bekommen oder etwas nicht dürfen – dann sind vor allem die Eltern „Schuld“ an der Wut. Es können aber auch äußere Einflüsse sein wie Streit mit den Freunden oder Enttäuschung, die Kinder wütend werden lassen. Egal ob du der Auslöser bist oder nicht: Sei bereit, deinem Kind zuzuhören, zeig Interesse an den Gedanken und Gefühlen deines Kindes. Du musst nicht gleich immer eine Lösung haben und du musst dich auch nicht rechtfertigen, warum dein Kind nun etwas darf oder nicht. Stattdessen denke über die Antwort deines Kindes nach und versucht, einen Kompromiss zu finden.

  1. Ist dein Kind wütend und aggressiv, so ist es kein Angriff gegen dich. Es ist ein Hilferuf, eine Bitte an dich und ein Zeichen, dass es dem Kind gerade nicht gut geht und es deine Unterstützung braucht.
  2. Wer Wut mit Wut ausbalancieren möchte, laut oder handgreiflich wird, löst das eigentliche Problem nicht. Stattdessen ist es hilfreich, ruhig zu bleiben und das Gespräch zu suchen. Das kann bei einem Spaziergang sein, bei einer Tasse Kakao oder in einem face-to-face-Gespräch mit Exklusivzeit. Versuche herauszufinden, warum es deinem Kind gerade so schlecht geht und was das Kind gerade braucht, um seine Wut loszuwerden. Vielleicht ist es ein Wutpolster oder eine Schimpfwortecke.
  3. Erstaunlich ist, dass sich manche Probleme von selbst lösen, weil wir ihnen Raum geben. Wer auf Wut mit Zuneigung und Nähe reagiert, schenkt seinem Kind Aufmerksamkeit und Zeit. Das lässt die emotionale Achterbahn wieder in Ruhe weiterfahren.
  4. Was dein Kind nun daraus gelernt hat: Es wird von seinen Eltern wahrgenommen und respektiert. Das Kind fühlt sich geliebt und angenommen, so wie es ist und es lernt, dass seine Gefühle okay sind und wie es konstruktiv mit ihnen umgehen kann.
  5. Nur, wer über Wut und seine Gefühle nicht sprechen darf, wird krank.

Bitte nicht: Auf Wut mit Wut reagieren

Kinder kennen unsere schwachen Stellen und wissen, wie sie ihre Eltern von 0 auf 100 bringen. Es reicht ein Wort, eine Geste, eine Situation und wir explodieren. Oft passiert dies genau im Trotzalter, wo Kinder und Eltern gleichermaßen die Nerven wegschmeißen. Doch in dem Moment, in dem ich mein Kind anschreie, lauter werde, es fester anpacke und meinem Ärger Luft mache, fühlt sich mein Kind klein und keinesfalls wertgeschätzt. Es tut ihm weh, so behandelt zu werden – nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Dabei weiß das Kind oft nicht, warum die Eltern nun explodiert sind – auch seine Welt steht gerade Kopf.

 

Quellen:

Jan-Uwe Rogge: Kinder dürfen aggressiv sein

Jesper Juul: Aggression: Warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist

Marshall B. Rosenberg: Konflikte lösen durch gewaltfreie Kommunikation

TEILEN