Meine ersten beiden Kinder sind 19 Monate auseinander.
Gleich vorweg: Wir wollten das so.
Geplant.
Kein Unfall.
Das wurden wir damals öfters gefragt, meist begleitet von Mitleidsbekundungen, die wir nicht brauchten. Helfende Hände wären da eine willkommene Abwechslung gewesen.
Uns war immer klar, dass wir mindestens zwei Kinder haben wollen. Geschwister zu haben erschien mir wie ein Geschenk – vielleicht, weil ich selbst keine hatte. Wir wollten mindestens zwei Kinder und die am besten schnell hintereinander, damit sie mal gut miteinander spielen können. Das war unsere romantische Vorstellung vom Leben mit unseren Kindern: Während wir im Garten auf der Terrasse unseren Kaffee trinken, spielen die Kinder friedlich miteinander. Denkste. Das mit dem Garten hat nicht geklappt. Und das mit dem gemeinsamen spielen, naja, zeitweise geht es. Aber bis dahin war es ein langer Weg.
Heute sind die beiden 8 und 7 Jahre alt. Heute sind sie unzertrennlich. Die besten und liebsten Geschwister wenn es darum geht, uns als Eltern gegeneinander auszuspielen. Die treuesten Freunde, wenn es darum geht, etwas auszuhecken oder anzustellen und dann ja nicht zu verraten. Sie halten zusammen. Heute, nach so langer Zeit sage ich: Es war super. Es war eine gute Entscheidung. Doch der Beginn sah anders aus.
Vermittler zwischen zwei Welten
Ein 19 Monate altes Kind ist nicht fähig Rücksicht darauf zu nehmen, dass hier nun ein Baby in der Familie ist, das die ganze Aufmerksamkeit braucht. Immerhin ist es mit 19 Monaten selbst noch ein Baby, völlig auf sich zentriert, mit mir eine Einheit (zumindest aus seiner Sicht) und keineswegs von der Gehirnentwicklung in der Lage, empathisch zu reagieren. Was es viel mehr ist: Wütend, launisch, darauf versessen alles „selba“ zu machen, sein Ich zu entdecken und deutlich zu zeigen, wer es ist. So war es auch bei uns. Zwar war sie von ihrer Schwester fasziniert und hat sie gerne als lebende Puppe „verwendet“, doch wenn es ums Stillen oder um andere Themen ging, dann hatte sie dafür kein Verständnis. Sie wollte nicht warten. Sie konnte es nicht. Sie sah nicht ein, dass das Baby mich auch braucht, wenn sie es gerade auch tut. Sie war nicht fähig, sich zurückzunehmen. Und das meine ich nicht als Vorwurf.
Dementsprechend anstrengend gestalteten sich unsere Tage. Es war ein Spießrutenlauf zwischen den Bedürfnissen der beiden Kinder: Gleichzeitig stillen und füttern, beide tragen, beide trösten und dabei immer das Baby beschützen, dass es unter den Attacken der „großen“ kleinen Schwester nicht verletzt wurde. Es wurde gehauen, gebissen, getreten, geschrien.
Ich war Vermittler zwischen zwei Welten, die noch gar nicht zusammenpassten und nichts mit unserer Vorstellung von einem Familienleben gemeinsam hatten.
Wir erlebten das volle Emotionsprogramm, das ein Kind so bieten kann in allen Lautstärken. Selbst Nachbarn haben sogar angeläutet, ob bei uns alles in Ordnung ist. Es war mir so unangenehm und peinlich – nicht, weil sie angeläutet haben, sondern weil ich ihnen am liebsten die Kinder mitgegeben hätte, um einfach mal 5 Minuten Ruhe zu haben. Oder auch 10. Es war nicht einfach damit umzugehen, denn schließlich wünschten wir uns doch zwei Kinder, die sich lieben. Doch müssen sich Geschwister lieben? Nein.
Es ist eigentlich die beschissenste blödeste Rolle, die man haben kann. Da wird einem jemand vorgesetzt, den man sich weder gewünscht noch ausgesucht hat, mit dem man sich aber alles teilen muss, was einem lieb ist: Die Eltern, das Zimmer, die Spielsachen. Ich meine, wie kommen wir dann drauf, dass unsere Kinder uns dafür noch dankbar sein sollen?
Die Nicht-Nächte
Was die Tage aber noch schlimmer machte waren die Nächte. Diese Nächte. bzw. die Nicht-Nächte. Meine Kinder besaßen das besondere Talent abwechselnd aufzuwachen ohne Rücksicht auf meinen Schlafrhythmus. So verbrachte ich einige Monate nur noch mit „Power Napping“. Mehr war nicht drinnen. Und ja, ich hätte einen Partner gehabt, der nachts aufgestanden wäre. Nur was hilft das, wenn das Kind laut „Nein, nur die Mama“ schreit? Nichts. Ich musste stillen und trösten gleichzeitig. Mehrmals nachts. Das war so erschöpfend und anstrengend, das ich manchmal wünschte, die Kinder einfach abgeben zu können. Ich hätte keine Babyklappe gebraucht, sondern auch eine Kleinkinderklappe. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so am sprichwörtlichen Zahnfleisch gegangen zu sein. Sobald sie dann aber seelig schliefen, waren sie wieder die süßesten Kinder. Dem Drang sie dann zu küssen und womöglich zu wecken, habe ich aber nicht nachgegeben.
Aber die Jahre vergingen und langsam begannen die Kinder auch sich miteinander zu beschäftigen. Sie entwickelten ähnliche Interessen und so fanden sich schnell die ersten Aktivitäten, die sie gemeinsam spielen konnten. Was für eine Erleichterung! Ich würde sagen, als die „Kleine“ damals 4 Jahre alt wurde, entspannte sich die Situation für uns alle und wir erlebten unsere Kinder als eine Einheit. Bis heute noch. Sie sind aneinander und miteinander gewachsen. Vieles passiere nebenbei, weil sie die Kleine von der großen Schwester alles abschaute. Sie musste es nur vorleben und schon wurde es nachgemacht. Natürlich nicht nur die Sachen, die wir gerne sehen, sondern eben alles.
Heute sage ich, Geschwister zu haben ist toll und eine Bereicherung. Ich bin froh, dass wir uns so entschieden haben. Auch, wenn die Anfangszeit steinig war, profitieren wir heute davon. Wir genießen es mit unseren Kindern, auch, wenn Eifersucht und Konkurrenz immer wieder einmal ein Thema sind. Aber da spielt der Altersabstand wohl nicht so eine große Rolle. Das gehört zur Geschwisterbeziehung einfach dazu. Und ja, unsere Familie wuchs ja um noch ein Kind. Was da auf uns zukam, wie wir die Kinder vorbereitet haben und wie dann das erste Kennenlernen aussah, davon ein anderes Mal mehr.
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