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Wir freuen uns, euch heute einen Gastbeitrag einer 4-fachen Mama vorzustellen, die ihre Kinder zu Hause betreut und selbst sagt: Es fehlt ihnen an nichts!
Ich bin ein Exot – zumindest in meinem Umfeld. Warum? Weil meine Kinder zu Hause sind. Nicht nur in den ersten Monaten, sondern immer. Sie besuchen keinen Kindergarten und keine Schule. Damit zählen wir als Familie zu einer Minderheit. Wir sind Exoten, wenn wir mittags am Spielplatz sind, der genau dann menschenleer ist. Dass ich meinen Traum auch ausleben und verwirklichen konnte, verdanke ich glücklichen Umständen und Mitmenschen, die meine Einstellung mittragen und die uns unterstützen.
Schon bevor ich Kinder bekommen habe war mir klar, dass ich meine Kinder so spät wie möglich fremdbetreuen lassen möchte. Am liebsten gar nicht. Die Freiheit für mich und meine Kinder standen damals im Vordergrund. Der Gedanke an eine Kindheit, in der sie so lange wie möglich unabhängig sein können und keinem Zwang und Stress unterliegen, der ohnehin noch früh genug auf sie zukommt.
Vorweg: Ich habe nichts gegen Kindergärten. Bei uns in der Umgebung gibt es einige schöne Kindergärten und ich kenne viele Eltern und Kinder, die sich dort ganz wohlfühlen und gerne hingehen. Also die Kinder gehen gerne hin und die Eltern haben das Gefühl, ihre Kinder sind gut aufgehoben. Mir geht es hier in diesem Beitrag nicht darum andere zu überzeugen, dass die ihre Kinder nicht in den Kindergarten geben.
Ich will auch gar nicht behaupten, dass wir es besser machen oder besser sind. Nur weil wir diesen Weg gewählt haben, sind andere nicht schlecht. Darum geht es mir nicht. Vielmehr möchte ich aufzeigen, dass wir eine Wahl haben und unsere Kinder nicht in den Kindergarten geben müssen. Wenn sie wollen, wenn sie eines Tages sagen, dass sie in den Kindergarten wollen oder eine Schule besuchen möchten, dann stehe ich diesem Wunsch nicht im Wege – ich will ihnen nichts aufzwingen. Ich will sie wählen lassen und ihren Weg mitgehen.
Die klassischen Vorurteile
Kinder brauchen doch andere Kinder und nicht nur die Eltern. Sie brauchen Sozialkontakte zu anderen gleichaltrigen und älteren Kindern. Wenn sie dann in die Schule kommen, können sie sich nicht integrieren. Zu Hause mit dem Kind ist es doch ganz schön anstrengend und eintönig. Die Kinder werden sich nicht altersgerecht entwickeln, sie brauchen Förderung von „Fachpersonen“. Und wie kann man sich das überhaupt leisten? – Diese Fragen/Behauptungen/kritische Meinungen höre ich oft – und immer denke ich mir dann: Was haben diese Menschen für eine Vorstellungen von unserem Tag? Dass wir nie nach draußen gehen und meine Kinder Eigenbrödler sind? Dass meine Kinder keine Freunde hätten? Doch das Gegenteil ist der Fall: Wir leben in einer großen Gemeinschaft, haben viele Freunde, treffen (fast) jeden Nachmittag andere Kinder und auch im Sportverein (den sich die Kinder aussuchten) haben sie Sozialkontakte.
Auch zum Lernen haben wir Lerngruppen gebildet und wir treffen uns regelmäßig – nicht mit striktem Stundenplan und Arbeitsblättern, sondern wir schauen, was die Kinder gerade brauchen und entscheiden dann. Sie haben aber nicht nur Gleichaltrige als Freunde, denn das würde ich für ihre Entwicklung ziemlich schwierig finden (wie es aber in Kindergartengruppen der Fall ist), sondern sie haben Freunde unterschiedlicher Altersgruppen und auch Erwachsene, die eine Fähigkeit haben, die sie gerne erlernen möchte. Auch sie sind ihre Freunde. Nur so können sie aneinander wachsen und ein vollständiges Mitglied der Gesellschaft werden. Ein Rudel eben. So z.B. die Nachbarin, die klöppeln kann. Einen Vormittag pro Woche besuchen sie die beiden älteren Kinder sie zu Hause und sie lernt ihnen klöppeln. Eine Bereicherung für beide Seiten.
Ich würde ja gerne, aber…
Interessanterweise kann ich beobachten, dass viele Personen meinen, sie würden es auch gerne so machen wie wir, aber…… das liebe Geld, die Zeit, der Job, der Mann, die Wünsche….was auch immer. Es gibt sicher Situationen, da geht es nicht anders und dann ist es auch wunderbar, dass es Einrichtungen gibt, die sich des Wohls unserer Kinder annehmen. Aber: Es ist kein Zwang – auch, wenn es politisch forciert wird. Es ist kein Zwang, dass wir schon in der Schwangerschaft von Kindergarten zu Kindergarten laufen, um uns einen Platz zu sichern.
Woher weiß ich, ob mein Kind schon bereit ist, mit ein paar Monaten in den Kindergarten zu gehen? Woher weiß ich, welche Bedürfnisse mein Kind hat und welcher Kindergarten zu ihm passt? Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht wissen. Stattdessen entscheide ich nach den Öffnungszeiten, Schließzeiten und den Förderangeboten. Was, wenn es gerade zahnt, eine Phase durchmacht, gerade fremdelt oder sich bei mir am wohlsten fühlt? Was dann? Oder was, wenn der Plan nicht aufgeht und das Kind einfach noch nicht so weit ist?
Doch wenn ich mit anderen Müttern darüber spreche merke ich, dass diese Themen gar nicht Thema sind bei der Frage, wann mein Kind in den Kindergarten geht. Viel mehr geht es darum, dass es dann so weitergehen muss, wie bisher. Das Programm weiter abspulen. Die Idee, dass sich mit einem Baby an dieser Situation etwas ändern könnte, also langfristig und nicht nur auf ein paar Monate, denken die wenigsten. Die wenigsten Mütter wagen den Schritt zu warten und zu schauen, was auf sie zukommt und wie das Kind ist, das sie bekommen, das ihnen geschenkt wird.
Für mich war immer klar: Wenn ich ein Kind bekomme, dann ändert sich damit mein Leben und ich möchte mich darauf einlassen. Es wird ein Leben sein, in dem ich nicht immer gleich alles bekomme, was ich möchte. Und es wird ein Leben sein, in dem ich manches aufschieben muss und es wird vieles neu sein. Es werden sich aber auch neue Wege ergeben. Auf dieses Abenteuer kann und darf ich mich einlassen.
Selbstbetreuung ist eine bewusste Entscheidung
Schnell war uns als Paar klar, dass wir unsere Kinder so spät wie möglich betreuen lassen wollen und wir haben uns angeschaut, wie realistisch unser Vorhaben denn ist. Wir leben nicht im großen Luxus, haben dann nur noch einen Hauptverdiener (und mich als Nebenveridener), ein Auto und keinen Baum, auf dem das Geld wächst. Und auch keinen Schein-Werfer. Wir sind nicht blauäugig oder naiv und wissen, dass wir unsere Fixkosten weiterhin decken müssen.
Damit wir unsere Kinder zu Hause betreuen können, verzichten wir auf viele andere materielle Dinge, weil wir es uns leisten möchten. Das ist einfach unsere Art zu Leben. Ein eher bescheidener und minimalistischer Lebensstil. Teure Schuhe, Markenkleidung im Überfluss und immer die neuesten technischen Geräte sind für uns kein Muss. Wir gehen selten auswärts essen, leisten uns keine teuren Karten für irgendwelche Konzerte und machen auch keine kostspieligen All-Inclusive-Urlaube in irgendeinem viel zu lauten Club. Ja, für unsere Kinder machen wir Abstriche – doch es tut uns nicht weh.
Unseren Kindern fehlt es an nichts
Sie haben genug zu essen, sie haben ausreichend Kleidung, sie haben Spielsachen, sie haben Freunde, sie haben viele Sozialkontakte zu anderen Kindern, sie sind in einer Gemeinschaft. Es geht ihnen gut. Sie sehen die Welt, sie bereisen ferne Länder, sie lernen andere Sprachen und Kulturen kennen. Unsere Kinder haben Sand unter ihren Füßen gespürt, sie laufen im Sommer barfuß über die Wiesen und im Winter fahren sie Ski am Nachbarshügel. Sie malen, sie lesen, sie schreiben, sie kochen, sie handwerken, sie musizieren, sie lachen, sie hüpfen, sie sind frei, offen und neugierig auf die Welt. So, wie ich mir eine Kindheit für sie vorstelle.
Das verpflichtende Kindergartenjahr
„Und wie macht ihr das mit dem verpflichtenden Kindergartenjahr?“ Ja, auch das möchte ich ansprechen. Im politischen Kontext geht es dann auch noch um das verpflichtende Kindergartenjahr (von dem man sein Kind abmelden kann) und um das Thema „Frühförderung“. Dazu kann ich nur eines sagen: Wir kennen unsere Kinder so gut wie niemand anderer. Sie bekommen von uns die beste Frühförderung, die sie brauchen: Unsere Liebe, eine geborgene, sichere, liebevolle, respektvolle Begleitung. Und die Möglichkeit, den ganzen Tag zu spielen. Im Spiel lernen Kinder alles, was sie brauchen.
Fragt André Stern! Sie erfahren uns als sichere Bindungspersonen, als Menschen, auf die sie immer bauen können. Das brauchen Kinder. Das ist die beste Frühförderung, die sie bekommen können. Und sonst vertraue ich darauf, dass sie alles in ihrem Tempo und dann lernen, wenn sie es brauchen und sich dafür begeistern. So brauchte mein Sohn etwa drei Monate für den „Stoff“ der Volksschule im Bereich Mathematik. Er hatte es schnell verstanden. Statt Jahre damit zu verbringen, waren es ein paar intensive Wochen. Da war seine Begeisterung für Zahlen nicht zu bremsen. Unsere Kinder lernen von Anfang an, jeden Tag. Immer. Bei allem, was sie tun. Und vor allem, im Spiel.
Was mir gefällt: Immer mehr Eltern wagen die „neue“ Lebensform des Selbstbetreuens – es wird wieder modern, seine Kinder selbst zu betreuen. Das ist schön, denn als Eltern haben wir die Wahl. Manchmal müssen wir uns nur einfach drüber trauen.