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Mehr Spielen in der Schule
Kinder spielen. Egal wie schlecht es ihnen geht und wie bedrückend ihre Situation auch sein mag. Gespielt wird immer. Mit dem Spieltrieb werden wir alle geboren und wir alle verbringen unsere ersten Lebensjahre damit. Dabei braucht es kein spezielles Spielzeug und schon gar keines mit einem didaktischen Hintergrund.
Schaut man sich Naturvölker an, dann wird man eines sehen: Die Kinder verbringen den ganzen Tag draußen. Ohne Kurse, ohne Erwachsene, sondern in einer Gruppe. Fragt man nun die Erwachsenen, warum Kinder spielen, dann antworten sie, dass sie im Spiel alle Fähigkeit erwerben, die sie brauchen. In den vergangenen Jahren ist die Möglichkeit für Kinder, selbstbestimmt und frei zu spielen, gesunken – stattdessen überwiegt der Ehrgeiz, die Lernfenster bestmöglich zu nutzen und so verbringen viele Kinder ihre freien Nachmittage in Kursen und in geplanten Angeboten, statt mit unverplanter Zeit und dem freien Spiel.
Warum spielt mein Kind?
Kinder spielen, um ihre Potentiale zu entfalten, um sich die Welt zu erschließen, um lebendig zu sein. Sie spielen ohne Ziel. Es geht um kein Ergebnis, sondern es geht um das Spiel selbst und das Gefühl der Befriedigung deines Bedürfnisses.
Spielen ist ein Bedürfnis des Kindes.
Das Spiel ist die wichtigste Grundlage des Menschseins. Im Spiel haben wir die Möglichkeit auszuprobieren, was noch möglich ist – fernab von jedem Druck und allen Vorstellungen oder den Anweisungen des „schön“-Spielens. So lernen wir, Probleme zu lösen, neue Situationen einzuschätzen, mit anderen Kindern auszukommen, kreativ zu sein und dass das Leben Spass macht.
Spielen ist keine Spielerei
Solange Kinder klein sind, wird das Spielen auch toleriert. Es gehört zum Kind-Sein dazu. Aber irgendwann, wenn Kinder älter werden und ins Schulalter kommen, wird ihnen plötzlich gesagt: Sie sollen jetzt lernen und nicht mehr spielen. Als könnte eines ohne das andere funktionieren. Aber ja, in unseren Gedanken ist es so verankert: Lernen ist gut, lernen ist wichtig. Spielen ist „nett“, aber keineswegs sinnvoll und keinesfalls vorbereitend auf das Leben.
Immer wenn ich diesen Satz höre, muss ich unweigerlich an André Stern denken, der in seinen Vorträgen dann immer einen Vergleich bringt:
„Das wäre so, als würde ich von dir verlangen zu atmen, ohne Luft zu holen.“
Das geht nicht.
Und so ist es auch beim Lernen. Lernen geht nicht ohne Spielen, weil Lernen ein Nebenprodukt vom Spielen ist. Nur: In unseren Köpfen ist das Spiel nichts wert, weil es kein Beruf ist. Dabei vergessen wir: Spielen ist der Hauptberuf des Kindes, sein innerer Antrieb.
Warum unterbrechen wir unsere Kinder beim Spielen?
André Stern fragt bei seinen Vorträgen immer:
Was macht ein Kind als erstes, wenn man es in Ruhe lässt? Es spielt. Und würde man es nicht unterbrechen, würde es immer weiter spielen. Und warum unterbrechen wir sie dann?
Ja warum eigentlich? Wie oft reißen wir unsere Kinder aus dem Spiel heraus, geben ihnen Anweisungen, wie sie „richtig“ spielen oder sagen ihnen, dass sie „schön“ spielen sollen. Wir gehen davon aus, dass Kinder unfähige Wesen sind, die unsere Hilfe brauchen. Statt einfach zu beobachten oder zu suchen, was in unserem Kind steckt, eilen wir herbei und helfen dem Kind. Kinder brauchen aber keine Helfer, sie brauchen Sucher und Begleiter, die fragen, was das Kind zu bieten hat und abwarten, welchen Schritt das Kind als nächstes macht.
Es reicht eben nicht, sich mit den Kindern zwar geografisch auf Augenhöhe zu begeben, aber im Inneren noch oben zu sein. Was wir verändern müssen, ist die Haltung gegenüber unseren Kindern, damit das Vertrauen in sie und in ihre Fähigkeiten wachsen kann. Kinder brauchen keine Unterstützung, sondern nur, dass wir ihnen keine Steine in den Weg legen. 2013 hat eine Studie gezeigt, dass Kinder ein innigeres Verhältnis zu ihrer Mutter haben und die Welt mehr begreifen, je weniger in ihr Spiel eingegriffen wird.
Wer aber sein Kind beim Spielen unterbricht und damit seine Erfahrungen begrenzt, nimmt auch Einfluss auf seine persönliche Entwicklung und seine Schulfähigkeit.
Abriss: Hirnforschung
Die Hirnforschung hat schon mehrfach bewiesen, dass es zum Lernen nichts Besseres gibt als das Spielen. Gerald Hüther hat nachgewiesen, dass wir nur dann lernen, wenn unsere emotionalen Zentren aktiv sind – diese Erfahrung haben wir alle gemacht: Wenn uns etwas Spaß macht, dann lernen wir es auch leicht. Es geht uns leicht von der Hand. Und diese Fähigkeit hört auch niemals auf – wir können immer dazulernen, wenn wir begeistert sind. Kinder kommen mit einer Begeisterung zur Welt, sie spielen ohne Ziel, sie spielen aus sich heraus und je älter sie werden, desto mehr verlieren sie ihre Begeisterung bzw. wird sie ihnen ausgetrieben. Sie dürfen ihrem Bedürfnis nach Spiel nicht mehr nachgehen, weil sie etwas „gescheites“ lernen sollen.
Doch für ein Kind gibt es keinen Unterschied zwischen Lernen und Spielen. Es wird gar nicht verstehen, warum es nun lernen und nicht mehr spielen soll.
Das Spiel ist Lernen
Schaut man sich viele Schulen an, dann gibt es dort keinen Platz mehr zum Spielen: Keine Bausteine, keine Gesellschaftsspiele, keine Verkleidungsmöglichkeiten – und das schon in der Volksschule. Stattdessen sollen die Kinder dort fürs Leben fit gemacht werden, sollen vorbereitet, groß und stark werden. Dabei würde mehr Spiel der Schule und auch dem Lernerfolg gut tun. Schulen wurden zu Institutionen der reinen Wissensvermittlung – eine ganzheitliche Bildung im Sinne von demokratischen Schulen rückt so in weite Ferne. Auch wenn gute Arbeit geleistet wird, kommt das Spielen zu kurz.
Lernen wird (leider noch immer) als eine Ansammlung von Wissen verstanden, als ein sichtbares Produkt, das bewertet wird: Wie viele Liedtexte kann das Kind? Kann es schon seinen Namen schreiben? Kann es geometrische Formen unterscheiden? Dabei müssten nicht nur Lehrpläne geändert werden, sondern auch die Art und Weise, wie Eltern, Schüler und Lehrer einander begegnen – und wir müssen alte Denkmuster aufbrechen: Warum sollte Deutsch und Mathematik wichtiger sein als Kochen oder Singen? Warum glauben wir, dass Kinder notwendige Kompetenzen nur durch gezielte Angebote erwerben können statt im Spiel? Warum vertrauen wir nicht darauf, dass Kinder von sich aus neugierig sind und lernen wollen?
Wir haben in diesem Punkt kein Vertrauen in unsere Kinder, dass sie alles mitbringen, was sie brauchen. Was Arbeitgeber heute suchen sind kompetente, begeisterte Menschen – Abschlüsse und Diplome alleine sind nicht mehr alles. Diese Begeisterung bringen wir alle mit und diese Begeisterung verleiht uns Flügel – mit diesen Flügeln können wir alles schaffen, weil sie unser Motor sind. Durch die Begeisterung entsteht eines: Kompetenz. Wer sich voller Begeisterung in ein Thema vertieft, wird schnell kompetent.
An dieser Stelle: Habt Vertrauen in eure Kinder und lasst sie spielen. Sie entwickeln sich von ganz alleine, je weniger Einfluss wir nehmen, je weniger wir anbieten und je weniger wir erwarten.