Bulimie: Schwangerschaft

Shutterstock ID: 206795545

Wenn Schlankheitswahn und eine Schwangerschaft aufeinander prallen

Liebe dich, so wie du bist. Genau so sollte es sein – auch was unseren Körper betrifft. Er ist unsere Haut, in der unsere Seele steckt und durch das Leben geht. Ist es aber leider des öfteren nicht! Es gibt zahlreiche Studien darüber, dass sich problematische Essverhaltensweisen (dabei muss es sich noch nicht um manifeste Essstörungen handeln!) wie Bulimie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im letzten Jahrzehnt stark zugenommen haben.

Was wohl so viel bedeutet, wie: dass sich so mancher unter uns nicht so wohl in seiner Haut fühlt, ja, sogar mit seinem Körper ganz und gar nicht im Lot ist und schon irgendwo in einer Essstörung umherirrt. Zum Beispiel in der Bulimie.

 

Bulimie: Was sind Essstörungen?

Essstörungen sind eine ernst zu nehmende Erkrankung mit seelischen, körperlichen und sozialen Folgen. Dabei spielt das Gewicht eine bedeutende Rolle. Wohlbefinden und Verhalten stehen in engem Zusammenhang mit dem Gewicht. Betroffene sind vor allem Mädchen und junge Frauen, aber auch immer wieder vereinzelt Männer- mit Tendenz steigend. Eine der 3 klassischen Essstörungen nennt man die Bulimia Nervosa, auch Ess- Brechsucht genannt. Alle Essstörungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie oft fließend ineinander übergehen – so ist das Resultat der Magersucht in etwa 20 Prozent der Fälle eine Bulimie.

Die Bulimie zeichnet sich durch folgende Symptome aus:

wiederholte Episoden von heimlichen Heißhungerattacken mit impulsivem und raschem Verzehr großer Essensmengen.

Dabei empfinden die Betroffenen ein Gefühl des Kontrollverlustes über das Essverhalten. Durch selbst ausgelöstes Erbrechen, wiederholter Diäten, Missbrauch von Abführmitteln und Appetitzüglern versuchen sie, dem gefürchteten Gewichtsanstieg entgegenzuwirken.

Dies geht einher mit einem Gefühl des Kontrollverlusts über das Essverhalten. Durch selbst herbeigeführtes Erbrechen, wiederholtes Hungern, Missbrauch von Appetitzüglern oder Abführmitteln wird versucht, einem gefürchteten Gewichtsanstieg entgegenzuwirken.

So unterschiedlich sich Essstörungen zeigen, eines ist für alle kennzeichnend: Essen bestimmt das Leben der Betroffenen. Das gilt für ihren Tagesablauf, ihre Gefühle, ihre Beziehungen zu anderen, ihre beruflichen und privaten Entscheidungen. Sie sind auf das Essen bzw. das Nicht-Essen fixiert. Ihr Körper ist aus ihrer Sicht für alles Glück und Unglück verantwortlich. Sie tragen ihre inneren Spannungen auf dem „Schlachtfeld Körper“ aus.

Dies kann nach andauernder Erkrankung eine Vielzahl physischer Schäden verursachen. Untergewicht in einem bedrohlichen Ausmaß findet man als Folge von Bulimia nervosa eher selten – was sich auch in der bestimmt immens hohen Dunkelziffer der Erkrankten wiederspiegelt.

Zu den tatsächlichen Folgeerscheinungen zählen:

Durch das andauernde immer wieder kehrende Erbrechen

  • Zahnschäden (durch Übersäuerung im Mundraum)
  • Entzündungen der Speiseröhre und Speicheldrüse (Ösophagitis)
  • Entzündungen der Magenschleimhaut (Gastritis)
  • Massive Störungen des Elektrolyt-Haushaltes (Kalium-, Eisen-, Calciummangel), die bis zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen können
  • Gravierende Folgen im Langzeitverlauf sind Nierenschäden und Osteoporose
  • Durchfall und Verstopfung (oft im Wechsel)
  • Kreislaufprobleme, tiefer Blutdruck (häufiges frieren)
  • Schädigung des Körpers durch Missbrauch von Alkohol, Nikotin, Drogen oder Medikamenten
  • Beeinträchtigung des Stoffwechsels und Hormonhaushalts bis zum Ausbleiben der Monatsblutung
  • (…)

BULIMIE kann auch im Laufe einer Schwangerschaft (erneut) zum Thema werden.

Da Letzteres zum Teil nur in ganz extremen Fällen zutrifft, geschieht es auch immer wieder, dass auch BULIMIEkranke Frauen schwanger werden. Spätestens dann ist Vorsicht geboten: Denn plötzlich geht es nicht nur noch um die betroffene Person selbst, sondern auch noch um ein zweites Menschenleben.

Somit trägt die Frau ab sofort eine Doppelverantwortung.

Speziell auch in Anbetracht einer eintretenden Schwangerschaft dürfen auch die psychischen Konsequenzen nicht außer Acht gelassen werden. Diese können bei Bulimia nervosa

  • sozialer Rückzug und emotionale Einsamkeit
  • depressive Verstimmungen bis hin zur schweren Depression
  • etc. sein.

 

Zuerst das Kind, dann die Diät 

Leichter gesagt als getan! 5-7 % aller Frauen im gebährfähigen Alter sind von einer Essstörung betroffen. Leider schaffen es nicht alle Frauen, während der Schwangerschaft z.B ihre Bulimie komplett auszuschalten. Deshalb kann man bei diesen Frauen auch häufiger Kinder sehen, die mit einem deutlichen Untergewicht zur Welt kommen. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt, sowie verstärkten Erbrechens ist bei Frauen größer, die es nicht geschafft haben, ihre Essstörung während der Schwangerschaft abzulegen.

Insofern sollte schon bei der Planung; auch unter Berücksichtigung der Erkrankung zusammen mit TherapeutInnen und behandelnden GynäkologInnen darüber gesprochen werden, ob man die Situation bei der Frau für stabil genug hält, einer Schwangerschaft zustimmen zu können, oder ob man hiervon eher abraten sollte.

In einer aktuellen Schwangerschaft, bei der es zu einer wieder aufflammenden Essstörung kommt, ist in jedem Fall eine intensive Mitbetreuung angeraten. Vielen FrauenärztInnnen und Hebammen fehlt das Bewusstsein für das Problem. Nur selten kommt es dazu, dass die betroffenen Frauen es zum Thema machen. Viele machen das erst, wenn sie Beunruhigendes über mögliche Folgen für ihr Baby lesen. Die Mutter- Kind – Pass Untersuchungen beinhalten die Psychosomatik weitgehend leider nicht.

 

„Auf jeden Fall hinschauen und ernst nehmen“

In einer Essstörung wie der Bulimie, hat der Wunsch den eigenen Körper zu beherrschen, vor allem sein Gewicht und seine Form, höchste Priorität. Jedoch verschwindet genau die Kontrolle über den eigenen Körper mit einer Schwangerschaft. Das Unkontrollierbare ist quasi unaufhaltbarer Begleiter des Mutterwerdens. Das macht vor allem jenen Frauen zu schaffen, die jede noch so kleine Gewichtszunahme auf Waage kritisieren.

Jedoch ist eine Zunahme an Kilogramm oft schon zu Beginn der Schwangerschaft manchmal recht massiv. Gerade in den ersten Wochen, wo sich die wichtigsten Anlag­­­-en wie Organe, Gehirn etc. bei einem Embryo entwickeln ist also eine Diät völlig fehl am Platz und birgt die Gefahr dass das kleine Lebewesen, dass im Bauch seiner Mutter wächst nicht ausreichend versorgt wird.

Auch gibt es Frauen , die während einer Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt, im Wochenbett, erstmals an einer Essstörung wie Bulimie erkranken und zuvor noch nie direkt mit Bulimie in Berührung gekommen sind. Als Auslöser gilt hier wohl die Tatsache, dass der Schlankheitswahn und eine Schwangerschaft einfach nicht miteinander zu vereinbaren sind. Viele Frauen können es nach der Geburt ihres Babys den Zeitpunkt gar nicht erwarten, an dem sie ihr Ausgangsgewicht wieder auf der Waage erblicken können.

Im Zuge dessen kann sich die Essstörung nach der Geburt, also in einer sehr sensiblen Lebensphase, die auch für psychisch stabile Frauen sehr belastend sein kann, oft verschlimmern.

 

Alles im Griff?

Im Großen und Ganzen nimmt das Kind sich zwar vom Körper der Mutter, was es braucht. Aber gerade bei mangelnder Ernährung gibt es dann doch einen Punkt wo das krankhafte Essverhalten und das Erbrechen zwar nicht immer dem Baby aber dann durchaus seiner Mutter an die Substanz geht.

Werdende Mütter sollten in jedem Fall all ihren Mut zusammen nehmen und sich Hilfe suchen. Gerade weil Bulimie immer mit einem starken Schamgefühl verbunden ist und es bestimmt angenehmere Themen während des schwanger seins gibt wird sie meist so lange wie möglich verheimlicht. Eine Schwangerschaft oder womöglich schon das Austragen eines zweiten oder dritten Babys ist immer eine Zeit, in der der Körper auf Hochtouren arbeitet. Gerade hier ist also eine vitaminreiche, ausgewogene Ernährung von großer Wichtigkeit.

Schwangere Frauen mit Bulimie bedürfen einer individuellen und besonders intensiven Betreuung durch GynäkologInnen, im besten Falle regemäßige Psychotherapiesitzungen, sowie eine sie betreuende Hebamme zu der sie Vertrauen haben.

Nicht zuletzt kann der Besuch einer Selbsthilfegruppe sich positiv und heilend auswirken.

Abschließend ist zu sagen, dass auch bulimiekranke Frauen zumeist glückliche und gesunde Babys zur Welt bringen. Es ist nur von hoher Priorität sich im Zuge einer Schwangerschaft der Risiken bewusst zu werden und sich dementsprechend Hilfe zu holen.

 

TEILEN