Bussi geben: Meine Kinder müssen niemanden küssen. Auch mich nicht.

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Aufdringliche Verwandte. Ich hasse sie. „Gib der Tante doch noch ein Bussi“ – ich kann es nicht mehr hören. Menschen, die die Kinder vielleicht nur 2 oder 3 Mal im Jahr zu Gesicht bekommen, wollen plötzlich von unseren Kindern umarmt, geküsst und abgeschmust werden. Doch was hat es mit den Zwang zum Bussi geben auf sich?

 

Ich kann gut verstehen, wie sich die Kinder fühlen. Ich hatte auch so eine „Tante“ (eigentlich eine Bekannte und Freundin meiner Oma), die mich immer mit weit geöffneten Armen empfang. Sie glich der Venus von Willendorf und ich hatte leider eine ungünstige Körpergröße. Sie schlang also ihre Arme um mich und mein Kopf verschwand zwischen ihrem Busen. Es war nicht angenehm, wahrlich nicht. Sie hielt mich ja nicht nur kurz so, nein, sie herzte mich ja lange, ausgiebig und immer wieder. Ich konnte nur nicht anders, denn die Blicke meiner Mutter gaben mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich mich zu fügen hatte. Ich sollte eben lieb sein und zeigen, wie gut ich erzogen bin. „Die Tante hat halt keine Enkelkinder“ erklärte sie mir immer. Sie meint es ja nur lieb. „Bekommt die Tante noch ein Bussi?“

Bussi geben – Mein hilfesuchender Blick wurde mit einem Kopfschütteln abgetan. Also berührten meine zarten Kinderlippen eine stachelige Wange. Damenbart. Sie konnte nichts dafür. Vielleicht hätte ich sie gerne haben können, wäre ich nicht regelmäßig zu etwas gezwungen worden, was ich nicht wollte. Ich weiß, meine Mutter und meine Oma meinten es nicht böse mit mir – es war eben meine Aufgabe zu zeigen, dass ich ein braves Mädchen bin, das folgt.

 

Sie wussten mit Sicherheit nicht, dass es Gründe gibt warum es eine ziemlich doofe Idee ist, ein Kind zu zwingen ein Bussi zu geben.

 

Wen wundert es nun, dass wir es mit unseren Kindern anders machen. Nach diesen Erfahrungen können wir ja gar nicht anders.

 

Bussi geben: Das kann passieren, wenn du dein Kind zwingst

Viele Eltern denken nicht darüber nach, was es mit einem Kind macht, wenn es gegen seinen Willen ein Bussi geben soll. Dabei sind doch Kinder die ehrlichsten Menschen überhaupt und tragen ihre Gefühle auf der Zunge und in ihren Armen. Wenn sie sich freuen, dann springen und kreischen sie, klatschen in die Hände, umarmen und küssen. Wenn sie uns ihre Liebe zeigen wollen, dann tun sie es auch. Dazu brauchen sie keine Aufforderung. Das Bussi geben geht aber an den Kindern nicht einfach so vorbei. Es macht etwas mit ihnen:

 

  1. Der Zwang zum Bussi geben schädigt die Eltern-Kind-Beziehung

Für ein Kind ist nichts wichtiger als zu wissen, dass seine Eltern hinter ihm stehen. Man nennt es Urvertrauen. Darauf bauen die Kinder ihr restliches Leben auf. Kinder müssen wissen, dass sie sich ihren Eltern immer anvertrauen können.

Nun klingt es in Bezug auf das „Bussi geben“ übertrieben, aber warum ist der Wunsch der „Tante“ (oder von wem auch immer) wichtiger als das Interesse des Kindes? Warum sollte ich meine Beziehung zu meinen Kindern gefährden? Wenn mein Kind gesagt hat, dass es die Tante nicht küssen oder umarmen will, dann hat dies nichts mit einem schlechten Benehmen zu tun. Es hat nur gesagt, was es nicht möchte – und das sollten Eltern dann auch respektieren.

 

  1. Der Zwang zum Bussi geben vermittelt eine falsche Körperlichkeit

Egal wie alt das Kind ist, es hat immer die Entscheidungsgewalt über seinen Körper. Niemand anderer darf über seinen Körper entscheiden. Auch, wenn das Kind erst 1,5 Jahre alt ist. Ich möchte nicht, dass meine Kinder ihre eigenen Gefühle ignorieren und dennoch ein Bussi geben, nur um jemand anderen glücklich zu machen. Ein „Nein“ ist ein „Nein“ – gerade, wenn es um den eigenen Körper geht. Die eigenen Grenzen zu respektieren und akzeptieren ist eine wichtige Lektion, die schon mit wenigen Monaten beginnt.

 

  1. Der Zwang zum Bussi geben macht alles schlimmer

Kinder haben manchmal einfach keine Lust. Der Oma, der sie sonst gerne Bussi geben, wollen sie heute nicht in die Arme fallen. Der Mama, die sie sehr lieben, wollen sie manchmal einfach kein Bussi geben. Sind sie deswegen verzogene kleine Fratzen? Nein, sie sind menschlich. Wenn Eltern nun die Situation aufbauschen mit „Du musst aber“, messen sie ihr mehr Bedeutung zu, als dieses Bussi wert ist. Ist ein erzwungenes Bussi wirklich so wichtig? Oder freut man sich nicht mehr über ein Bussi, das von Herzen kommt?

Als Erwachsener sollte ich nicht beleidigt sein wenn mich mein Kind nicht küssen möchte und ich sollte auch nicht die Erwartung haben, dass es mir seine Liebe auf Befehl zeigt. Ein Bussi, das von Herzen kommt, ist mir da viel lieber.

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