„Der Schas ist der beste Komiker“ ….

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…sagt Lukas Resetarits in seinem Programm „Schmäh“, in dem er knappe 30 Minuten über die Flatulenz, so der lateinische Fachausdruck für Blähungen, spricht.

Eltern kennen dieses Problem. Kaum pupst jemand oder es sagt jemand das Wort „pupsen“, brechen Kinder in schallendes Gelächter aus. „Pupsen“ kann auch durch „Furz“, „Kacka“ oder „Rülpsen“ ersetzt werden. Ganz egal. Es geht um die Fäkalworte um ihnen mal einen Namen zu geben. Willkommen in der Schimpfwortphase.

Die Fäkal-Schimpfwort-Phase

Kaum etwas anderes finden Kinder so lustig wie das Pupsen. Kinder können über Fürze lachen. Wenn den Kindern einer im Bus entkommen ist, dann schreien sie ganz laut, dass sie einen Pups gelassen haben, strahlen dabei über das ganze Gesicht und lachen.  Kinder sind dann sogar so kreativ, dass sie Kinderlieder umwandeln. Da werden „Alle meine Entchen“ plötzlich „Alle meine Pupse“. Alle Töne, die der Körper so produzieren kann, werden lautstark dokumentiert und dann lachen sie.

Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarrrrrrrrrrrrrrrrrrggggggggggggggggggggghhhhhhhhhhhh!

Mich nervt das. Und wie. Seit Wochen geht es bei uns so zu. Mir ist schon klar, dass das eine normale Phase ist und fast jedes Kind hat sie. Ich weiß auch, dass nicht die Wörter selbst interessant sind, sondern eher die Reaktionen der Menschen. Für Kinder gibt es nichts Besseres als Wörter gefunden zu haben, die bei anderen ein Gekicher auslösen und die Erwachsenen peinlich irritiert sind.

Warum benutzen Kinder Schimpfwörter?

Der Grund liegt auf der Hand: Das Kind spürt und erfährt seine Macht, die es plötzlich den Erwachsenen gegenüber hat. Die Erwachsenen, die einen sonst immer zurechtweisen, von A nach B tragen oder transportieren, die ständig in ihr Leben eingreifen, sind plötzlich machtlos gegen die Worte, die da aus den Kindern heraussprudeln. Was muss das für ein Glücksgefühl sein! Sie probieren Schimpfwörter aus weil sie erfahren wollen, welche Reaktionen sie auslösen – zuerst nur unter sich, dann bei den Geschwistern, im Bus, bei den Eltern und schließlich auch im Kindergarten oder in der Schule.

Aber Schimpfwörter haben auch einen Vorteil: Sie bieten dem Kind die Möglichkeit Wut und Ärger über Worte, statt über körperliche Übergriffe auszudrücken. Das ist doch ein großer Schritt. Es schafft, dass sich das Machtverhältnis (wenn man es so nennen möchte) ändert: Schimpfen kann ein Kanal sein um Wut rauszulassen, aber es zeigt auch, dass wir gegen die Schimpfwörter als Erwachsener machtlos sind. Wir selbst reagieren wütend  und genervt und können aber – wenn wir ehrlich sind – nicht viel dagegen tun. Schicken wir unsere Kinder ins Zimmer oder schimpfen wir zurück, befinden wir uns in einer Machtspirale. Das muss aber nicht sein. Die Frage ist also: Wie können wir entkommen?

Einfach ignorieren?

Ja, habe ich gemacht. Zu Beginn zumindest. Ich habe es versucht. Nicht zu reagieren, darüber hinwegzuhören. Aber die Eigendynamik von drei Kindern, die den ganzen Tag nur noch pupsen, rülpsen oder sich darüber unterhalten, habe ich vollkommen unterschätzt.

Irgendwann war das Maß dann voll. Es reichte mir. Mein Geduldsfaden ist gerissen und es folgten ein paar Versuche mit „Lass das sein, das macht man nicht“. Man ist meinen Kindern aber egal. Aber es gibt ja noch ein paar Dinge, die man versuchen kann:

Schimpfwörter lokal begrenzen

Das war mein erster müder Versuch, die Schimpfwörter-Phase in den Griff zu bekommen. Also eine Schimpfwörterecke, wo die Kinder nach Lust und Laune schimpfen dürfen. Aber nur dort. Mein Gedanke war, weil Verbotenes ja immer meeeeegainteressant ist, es einfach nicht zu verbieten, sondern einzuschränken. Die Idee war ja ganz gut. Sagten sie also ein Schimpfwort, erinnerte ich sie daran, sie im Klo zu sagen. Dort habe ich sie nämlich hinverbannt – die Schimpfwörter. In der Praxis war es dann so, dass mir die Kinder sagten, sie seien jetzt schon fertig mit dem schimpfen. Es klappte also nur mit mäßigem Erfolg – teilweise hielten sich dann alle drei Kinder bevorzugt auf der Toilette auf und schimpften wie die Rohrspatzen. Ich würde mal sagen: Ein netter Versuch, aber nicht unsere Lösung.

Ganz ohne Schimpfwörter geht es nicht

So ehrlich müssen wir zu uns selbst sein: So ganz ohne Schimpfwörter geht es dann ja doch nicht. Manchmal müssen sie einfach raus. Da geht es uns ja nicht anders. Es ist natürlich nicht unsere Aufgabe noch neue Schimpfwörter zu erfinden (Achtung beim Autofahren!). Also bekam  jeder ein Schimpfwortkontingent für die Zeit zu Hause – wenn dieses aufgebraucht ist, dürfen keine Schimpfwörter mehr gesagt werden.  Auch die Erwachsenen nicht. Eine nette Absprache, aber bei  5 Personen verloren wir so schnell den Überblick, dass wir gefrustet aufgaben. Letztendlich endete dieser Versuch in Streitereien darüber, dass wir uns verzählt haben. Also auch keine so gut Idee.

Die eigenen Grenzen

Im Zusammenleben mit unseren Kindern geht es um Beziehung, nicht um Macht. Phasen wie etwa das Schimpfen gehören zur Entwicklung dazu. Kinder erproben sich in diesen Phasen, um sich ein Bild von der Welt zu machen. Sie suchen ihren Platz. Dazu gehört es, dass die Dinge ausprobieren und neue Fähigkeiten lernen. Für uns Eltern kann das anstrengend sein. Unglaublich anstrengend.

Es ist aber auch für unsere Kinder anstrengend – das vergessen wir dabei gerne. Manchmal wissen Kinder in solchen Entwicklungsphasen gar nicht, wohin mit ihren Gedanken und ihren Energien. In ihnen herrscht ein großes Durcheinander und unsere Aufgabe ist es, sie darin aufzufangen. Manchmal ist es das Beste für uns und unsere Kinder, gegen unseren Impuls zu handeln. Statt zurückzuschimpfen oder sie ins Zimmer zu schicken, kann es auch der einfache Weg sein, indem du sagt: „Ich will diese Wörter hier nicht“. Und daraus können sich wunderbare Gespräche ergeben, denn es schadet nicht, Schimpfwörter zu erklären und sie zu hinterfragen. Denn nur dann, wenn man über den Inhalt und die Verwendung eines Wortes spricht, verliert es an Kraft. Ich habe immer wieder bemerkt, dass meine Kinder deswegen manche Schimpfworte sagten, weil ihnen der Klang gefiel oder weil es sich in ihren Ohren lustig anhörte. Es ging dabei nicht darum jemanden zu beleidigen, denn teilweise waren die Situationen, in denen sie Schimpfwörter verwendet wurden, absurd und nicht passend. Dann ist Aufklärung wichtig und einfach mal nachfragen, was das überhaupt heißt.  Oft stellte sich heraus, dass ihnen die Bedeutung gar nicht klar war. Aber wir legten einen wichtigen Grundstein in die Beziehung: Meine Kinder sollen angstfrei zu mir kommen, wenn sie ein Wort nicht verstehen.

Aufklärung

Pupsen, Furzen & Co. sind harmlos gegenüber den Worten, die sie in der Schule von älteren Kindern kennenlernten. Dann ist es wichtig hinzuschauen und ins Gespräch zu kommen. Wörter bekommen ihre Bedeutung immer erst aus dem Kontext, in dem es genutzt wird. Meine Kinder sollen früh wissen, was sie damit sagen, wenn sie so ein Wort benutzen und wie es wirkt. Ich kann es nicht verbieten, wie denn auch. Aber ich kann ihnen vermitteln, dass Schimpfwörter mit einem respektvollen Umgang nicht zusammenpassen. Darauf legen wir Wert.  Und ich glaube, wenn Kinder darüber aufgeklärt sind, dann werden sie darüber nachdenken und reflektieren. Ich sehe heute bei meinen Kindern, dass dieser Ansatz gefruchtet hat. Aufklärung kann manchmal die Lösung sein – nicht für jedes Schimpfwort, aber für einige.

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