Wie Familie gelingen kann
„In allen Familien mit zwei Elternteilen ist die Liebesbeziehung der Erwachsenen das Wichtigste. Sie gibt den Ton an und entscheidet über die Atmosphäre in der Familie. Die beiden Partner sollten deshalb ihre Liebe zueinander unbedingt pflegen. Das ist das Geschenk, das sich ihre Kinder am meisten wünschen.“ (Jesper Juul)
Liebe, neue Eltern!
Das erste Kind ist da – und nichts mehr ist so, wie es einst war. Manchmal ist es auch gar nicht so, wie wir uns das Leben als Familie vorgestellt haben! Hier sind 10 Tipps, wie aus beziehungsförderndem Verhalten eine tragfähige Beziehung wird:
- Anerkennt, dass es so ist, wie es ist! Was heute gilt, kann morgen anders sein. Nehmt euch einen Tag nach dem anderen vor. Denn nie wieder erlebt ihr eine so schnelllebige und von so vielen Veränderungen begleitete Zeit, wie im ersten Lebensjahr – und bis zum Schulalter. Gefragt sind also Flexibilität, Spontaneität und gleichzeitig die Fähigkeit, sich ganz einem anderen Rhythmus hinzugeben, nämlich dem eures Kindes.
- Es gilt einzig und allein, bei sich selbst zu beginnen! Ihr könnt nur so gute Eltern sein, so gut ihr zu euch selber seid. Ihr könnt euer Kind nur so gut nähren, wie ihr selber genährt seid. Im Klartext heißt das: Auch wenn jetzt ein sehr bedürftiges, total abhängiges Wesen mit euch lebt, das sehr eindrücklich Forderungen stellt (die auch unmittelbar zu erfüllen sind!) – ihr kommt zuerst! Das ist wie die Sauerstoffmaske im Flugzeug: Zuerst sich selbst helfen, dann den anderen! Besinnt euch immer wieder darauf, was ihr gerne tut und was ihr braucht – und tut es! Erst dann könnt ihr hinreichend fürsorglich sein.
- Um Hilfe bitten & Unterstützung annehmen! Gerade in diesem Punkt heißt es jetzt erwachsen zu sein und ganz klar zu formulieren, welche Art der Unterstützung ich jetzt von wem brauche. Schließlich heißt es, es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen – während wir nur allzu oft glauben, wir schaffen alles alleine. Also: „Bitte koche mir ein Mittagessen!“, „Ja, du kannst gerne auf unsere ältere Tochter aufpassen!“ „Bitte nimm mir das Baby ab, ich will mich jetzt eine Stunde hinlegen.“
- Schaut euch in die Augen: Ihr seid und bleibt ein Team! Die moderne Hirnforschung hat bewiesen, dass sich das Leben zu zweit leichter anfühlt. Wenn ihr also einander zugewandt bleibt, und den Weg der Elternschaft gemeinsam als Paar geht, geht alles leichter von der Hand. Apropos Hand: Das Schmerzempfinden sinkt nachweislich, wenn bei einem schmerzhaften Akt (z.B.: Geburt) ein dir liebevoll zugewandter Mensch die Hand hält.
- Verbringt Zeit zu zweit! In den ersten Lebensmonaten ist euer Baby abhängig und bedürftig. Und dem gilt es auch Rechnung zu tragen. Nichtsdestotrotz ist die Qualität eurer Beziehung das Klima, indem euer Kind aufwächst. Und dafür seid ihr beide 100% verantwortlich. Zeit zu zweit muss ab jetzt auch gegen jedwede romantische Vorstellung geplant werden. Aber: In dieser Zeit ist Raum für Spontaneität – und auch Sexualität. So intim das Zusammensein mit eurem Baby sein mag – es ist eure Pflicht, die Intimität in der Paarbeziehung aufrecht zu erhalten, sei es durch Gespräche und Konfliktlösungsprozesse, sei es durch den körperlichen Dialog, also Sex. Vielleicht ist es ja Zeit, euer Gesprächs- und Sexualleben und deren Gestaltung zu überdenken und auch neu zu definieren. Wenn ihr ansteht, ist das bestimmt nicht das Ende der Welt und schon gar nicht das Ende eurer Beziehung. Bei der Neugestaltung einer Beziehungskultur in der Familie und als Paar gibt es im Bedarfsfall Unterstützung von Fachleuten und Coaches (siehe Punkt Unterstützung annehmen!). Und wenn das in den eigenen vier Wänden nicht gelingt, spricht auch nichts gegen eine Fremdbetreuung des Kindes. Nach einer guten und achtsamen Ein- und Angewöhnungsphase schaffen es Babys einwandfrei mit ihrer Oma oder der BabysitterIn zu sein. Besinnt euch immer wieder darauf, was euch als Paar gemeinsam Spaß macht – und tut es! Regelmäßig!
- Schafft Raum für Konflikte! Ein Konflikt ist immer eine Einladung zum Wachstum und zur persönlichen Horizonterweiterung. Scheut euch nicht, Dinge auf den Tisch zu legen – lasst sie nebeneinander stehen. Oft ist der erste Schritt getan, wenn jeder gesagt hat, was er/sie will oder nicht will. Ganz wichtig: Es kann immer nur einer reden – während der anderer nur zuhört. Nehmt eine staunende Haltung ein und setzt die Brille auf: Mein Gegenüber könnte recht haben!
- Überdenkt und setzt alle Prioritäten neu! Tauscht euch darüber aus. Wie wichtig, und wen ja, warum ist zum Beispiel eine blitzblanke Wohnung? Muss Wäsche gebügelt werden und wann? Wer kontrolliert das? Wer übernimmt welche Aufgaben? Welchen Stellenwert nehmen eure Freunde ein? Ist es an der Zeit, mit dem Medienfasten zu beginnen? Dieser Austausch braucht Zeit! Achtung: Keine Zeit, heißt kein Interesse!
- Zwei Partner – zwei Elternteile – zwei Welten! Ihr beide seid anders, denkt anders, fühlt anders (auch als euer Kind!). Lernt das anzuerkennen, lernt einander kennen und teilt die Verantwortung für euer Kind. Wenn Mama verantwortlich ist, dann macht sie es auf ihre Art. Wenn Papa dran ist, geschieht alles auf seine Art – und das ist gut so. So kommen schon Babys mit der Vielfalt der Welt in Kontakt und lernen, mit Unterschieden umzugehen. Selbiges gilt übrigens auch für Großeltern.
- Verabschiedet euch von Idealbildern und Erwartungen! Diese stehen euch im Weg, die Familie zu sein, die ihr sein wollt; mit euren Vorlieben, mit den Dingen, die genau euch Spaß machen, mit eurem Gusto und Geschmack. Und besonders, liebe Mamis und auch Papis, verabschiedet euch von den Idealbildern á la Topmodels, die scheinbar unmittelbar nach der Geburt, angeblich allein durch das Stillen, rank und schlank und fit und agil arbeitend durch die Welt wuseln. Die Realität schaut meistens anders aus!
- Beste Freunde! Zu guter letzt: Behandelt euch gegenseitig als Mann und Frau so, wie ihr euer Baby behandelt: Seid bedingungslos freundlich zu einander – egal was der/die andere tut! Euer Familienmotto möge sein: Es ist gut, dass du da bist!
Buchtipps:
- Jesper Juul: Mann und Vater sein und sämtliche andere Bücher/DVDs
- Karlheinz Brisch: SAFE – Sichere Ausbildung für Eltern
Mag.a Sandra Teml-Jetter & Mag. Stefan Jetter