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Sie streiten.
Täglich.
Von morgens bis abends. Nur nicht beim Schlafen, da wird noch geflüstert.
Beim Frühstück, beim Anziehen, beim Zähneputzen, beim Weg in den Kindergarten, beim Abholen, beim Spielen, beim Essen, beim Duschen. Nur nicht beim Sport, da halten sie als Team zusammen.
Sie werfen einander Schimpfwörter zu, sie hauen, treten und beißen. Und trösten.
Geschwister – eine Beziehung, die ein Leben lang besteht. Zwischen zwei Menschen, die einander vorgesetzt wurden, die man sich nicht aussuchen kann.
Der ideale Altersabstand
Wir haben schon an anderer Stelle über den idealen Altersabstand zwischen Geschwistern geschrieben und auch auf Facebook um eure Meinung gefragt. Wir haben viele Antworten bekommen und nun einen Teil herausgesucht, der das breite Spektrum nach der Frage des „idealen Abstandes“ am besten abdeckt:
„Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt. Ich hätte gerne einen Abstand von 2 Jahren gehabt, aber das wollte/sollte nicht sein. Jetzt sind meine 2 knapp 4 Jahre auseinander und ich bin froh darüber. So ist der Große schon halbwegs selbstständig und das erleichtert den Alltag schon. Und er ist so lieb zu seiner kleinen Schwester.“
„Der richtige Zeitpunkt ist für alle anders und manchmal nicht planbar. Ich persönlich finde einen Altersabstand von 3 bis 5 Jahren sehr angenehm, aber das wird nicht immer alles so nach Wunsch bei jedem laufen. Es kommt, wann es kommt. Erzwingen lässt sich nichts.“
„Meine Zwei sind fast auf den Tag genau 1 Jahr auseinander. Z. ist gerade 2 geworden, M. 3. So gut wie die Zwei sich verstehen, ich würde ich es nie mehr anders machen. Der Vorteil jetzt ist, das die Interessen so ähnlich sind, dass das Spielen unheimlich viel Spaß macht. M. muss nicht noch ein Jahr warten bis Z. einigermaßen mit ihr spielen kann. Ein kleiner Vorteil gegenüber Kinder die alterstechnisch weiter auseinander sind.“
„Für mich gibts kein zweites Kind. Ich bin ausgelastet mit meinen Zwerg. Außerdem will ich bald wieder arbeiten. Und heutzutage ist’s mit mehreren Kindern schwer ohne Unterstützung.“
Tatsache ist: Streit mit Geschwistern ist ein alltäglicher Bestandteil und gehört zum Zusammenleben dazu. Geschwisterbeziehungen gelten als das ideale Versuchslabor, um soziale Kompetenzen zu erlernen, seine Grenzen abzustecken, sich durchzusetzen, aber auch Kompromisse zu schließen und sich wieder zu versöhnen.
Schließlich streiten wir selbst auch mit unserem Partner, den wir uns selbst ausgesucht haben. Wieso sollten sich dann Kinder verstehen, die sich vielleicht gar nicht mögen?
Die raufen sich schon wieder zusammen
Sind Eltern nun der Überzeugung und folgem dem gängigen Rat, die Kinder die Streitigkeit untereinander lösen zu lassen, dann vergessen sie die Tatsache, dass Kinder lernen müssen, Konflikte zu lösen. Studien haben gezeigt, dass Gewalt und Mobbing unter Geschwistern die gesamte Beziehung zueinander und das Leben überschatten können.
Als Regel gilt: Je kleiner die Kinder sind, desto mehr Unterstützung brauchen sie, um mit ihren Konflikten umzugehen. Ob Eltern nun schon beim Streit ums Spielzeug einschreiten oder lieber zuerst beobachten, wird auch vom Charakter der Kinder abhängen und ob es eine sprachliche und körperliche Überlegenheit gibt, die bewusst eingesetzt wird. Eskaliert der Streit, sollten Eltern zuerst herausarbeiten, welche Bedürfnisse die Kinder verfolgen und diese dann benennen: „Ihr beide wollt das Auto haben. Das ist nun schwierig. Habt ihr eine Idee, wie wir das lösen können?“
Eltern dürfen aber auch nicht vergessen, dass es bei Streiterein zwischen den Kindern häufig um Zeit, Aufmerksamkeit und Zuwendung geht, die sie dadurch ergattern möchten. Vielleicht ist es auch gut zu beobachten, welche Position man selbst gegenüber dem Kind vertritt bzw. welche Rolle es in der Familie einnimmt (ob aufgrund der Geburtenfolge oder aufgrund der Erfahrung). Ist ein Kind immer der Rebell, das andere Kind immer „lieb“? Alle Kinder in der Familie müssen sich gleich geliebt fühlen – so unterschiedlich sie auch sind.
Doch was tun, wenn die Streithähne nicht zu bändigen sind? Muss es darauf auslaufen, dass jedes Kind das eigene Zimmer hat? Früher gab es das doch auch nicht…..
Das eigene Zimmer – eine Lösung?
Zweifellose ist diese Situation dann nicht einfach für die ganze Familie und es müssen gewisse Regeln zum Zusammenleben geschaffen werden. Aber nicht nur das: Ein Rückzugsort ist für die Kinder dann umso wichtiger. Kritiker des eigenen Kinderzimmers werden nun denken, dass es diesen Luxus früher auch nicht gab. Und das ist richtig.
Doch die Bedingungen waren andere: Da waren Kinder den ganzen Tag unterwegs, konnten sich aus dem Weg gehen, waren ausgepowert und müde. Sie konnten aber noch leichter entspannen und hatten weniger Druck von außen. Weder mussten sie Kurse besuchen, noch mit 24 anderen Kindern gemeinsam im Kindergarten den ganzen Tag verbringen, noch waren Eltern so verunsichert wie heute und gaben diese Verunsicherung an ihre Kinder weiter. Das Leben war ein stückweit unstrukturierter, aber Kinder waren Kinder und keiner ständigen Überwachung (Stichwort „Helikoptereltern“) durch die Eltern ausgesetzt. Das sind unter anderem Gründe, warum Kinder heute ebenso ihren Raum und Platz fordern.
Ist aber eine räumliche Trennung aufgrund der Wohnsituation nicht möglich, dann wäre es ein guter Schritt, eine Umgestaltung des Kinderzimmers zu überlegen. Das muss keine komplette Neurenovierung sein, es genügen Regale als Raumtrenner, Vorhänge als optische Teiler und eigene Bereiche für jedes Kind. Je klarer die Struktur im Zimmer ist, desto besser finden sich die Kinder zurecht. Dabei sollten die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder an die Gestaltung nicht nur respektiert und angehört werden, sondern im Rahmen des eigenen Ermessens auch umgesetzt.
Kinder dürfen sich streiten
Sich gegen andere durchzusetzen, kein Mitläufer zu sein und Nein zu sagen sind Dinge, die sich viele Eltern in der Pubertät von ihren Kindern wünschen, wenn es um Rauchen und Drogen geht. Doch das können sie nur dann, wenn sie es auch üben dürfen. Und innerhalb einer Familie geschieht dies mit den Geschwistern, aber auch mit den Eltern, sofern ein gleichberechtigter Erziehungsstil gelebt wird. Es ist ein natürlicher Teil der Sozialisation, das Kinder sich aneinander reiben, sich durchsetzen, aber auch Wünsche und Bedürfnisse äußern. Nur so werden unsere Kinder zu empathischen Persönlichkeiten, die Rücksicht nehmen können, aber auch dafür einstehen, was sie gut finden.
Daher sind die Geschwisterbeziehungen ein wunderbarer Ort, sich durchzusetzen, zusammenzuraufen, seine eigenen Grenzen und Bedürfnisse durchzusetzen, aber auch Kompromisse einzugehen. Die Kindergruppe und das Lernen von anderen Kindern war und ist evolutionsbedingt unerlässlich für eine erfolgreiche Sozialisierung. Kinder bereichern einander, auch, wenn es dabei zu Reibereien kommt.
Wann sollten Sie sich einmischen?
Grundsätzlich solltest du deinen Kindern die Chance geben, Konflikte selbst zu lösen, doch je jünger die Streithähne sind, desto mehr Anleitung benötigen sie dabei. Ob es nun um das Spielzeug geht oder um die Aufmerksamkeit der Eltern, tut nichts zur Sache. Wichtig ist jedoch, das Bedürfnis hinter dem Streit herauszufinden und zu schauen, ob dabei nicht noch andere Aspekte schlummern, wie etwa ein Gefühl der Ungerechtigkeit oder Vernachlässigung.
Doch es gibt Momente und Situationen, da ist Unterstützung als Mama oder Papa gefragt – und zwar wenn
- der Streit körperlich ausgetragen wird mit hauen, schubsen etc.
- sich die Kinder verrannt haben und nur mehr schreien, ohne einander zuzuhören
- die Kinder keine Lösung finden
- Bei sehr jungen Kindern
Übernimm aber nicht die Rolle eines Richters, sondern höre allen Kindern ruhig zu, werte nicht und versuche eine Art Mentor zu sein, der das Gespräch zwischen den Kindern leitet und mögliche Lösungswege vorschlägt.
Das Zusammenleben erfordert Geduld und Übung, von den Erwachsenen als Vorbilder und von den Kindern im Wachstum. Die Chance, die sie jedoch als Geschwister haben, die ursprüngliche Kinderbande im Kleinformat, den Verbündeten, das Vorbild, jemand, den man bewundern kann: Diese Erfahrungen bereichern das Leben und machen die Kinder zu dem, was sie sind.
Weiterführende Links:
Familienplanung: Der richtige Zeitpunkt für das zweite Kind
Hauen, beißen, kratzen – Hilfe mein Kind ist aggressiv
Wieder schwanger: So bereiten Sie das Geschwisterkind gut vor