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Das Kind anregen zu müssen, das glauben wir nur, weil wir zu wenig Ahnung davon haben, was jeder Mensch an Entfaltungsmöglichkeiten mit auf die Welt bringt. (Jacoby, 1981)
Die Eltern von Tobias sind stolz: Ihr kleiner Sohn ist gerade mal 5 Monate alt und kann schon sitzen. Immer wieder hat er sich aus der Rückenlage an den Fingern seiner Mutter hochgezogen. Es scheint ihm zu gefallen und es macht ihm Spaß. Er lacht dann immer so viel dabei und wollte es ja anscheinend schon, erzählt seine Mama stolz in der Krabbelgruppe. Schließlich ist ihr Sohn der erste in der Gruppe, der schon sitzen kann.
Dass er aber noch mit Pölstern gegen Umkippen abgestützt werden muss, sieht sie nicht als Alarmsignal. Was die Mama vom Tobias hier falsch interpretiert hat ist ganz klar: Tobias wollte noch nicht sitzen, nur, weil er sich an den Fingern seiner Mutter hochgezogen hat. Das glauben jedoch viele Eltern und setzen ihr Kind zu früh hin. Was Tobias gemacht hat, hatte noch nichts mit Sitzen zu tun – es ist ein Teil der normalen Bewegungsentwicklung. Tobias hat seine Muskeln trainiert. Damit er einmal alleine sitzen kann, ist es wichtig, dass er seine Muskulatur trainieren kann – in Bauch- und Rückenlage. Jetzt, wo Tobias sitzt, ist er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Was viele Eltern so stolz macht, sehen Ärzte mit Sorge. Denn wenn Kinder zu früh hingesetzt werden und weder ihre Muskeln, noch ihre Gelenke für diesen Schritt ausgelegt sind, kann dies zu Schäden im späteren Leben führen und sich ungünstig auf die Entwicklung auswirken. Doch warum tun es Eltern immer wieder? Und dabei sind es nicht nur die Erstlingsmütter, die aus Ehrgeiz oder Unwissen ihr Kind frühzeitig aufsetzen, nein, es sind auch Mehrfachmütter.
Bitte: Setzt dein Kind nicht hin, sondern lass deinem Kind die Möglichkeit, das Hinsetzen selbst zu lernen. Wenn du dein Kind hinsetzt, nimmst du ihm einen wichtigen Entwicklungsschritt.
Bevor wir euch aber zeigen, warum das frühe Hinsetzen für dein Baby schlecht ist, möchten wir euch zwei Definitionen zum Sitzen beim Baby nicht vorenthalten:
Emmi Pikler sagt:
„Das Kind sitzt, wenn es seinen Rumpf über den Sitzbeinhöckern ausbalanciert. Beim ebenerdigen Sitzen vergrößern die gebeugten oder gestreckten Beine die Unterstützungsfläche. Auf erhöhter Sitzgelegenheit hilft der Kontakt der Fußsohlen mit dem Boden dem Kind, aufrecht und im Gleichgewicht zu bleiben. Beim Kind, das gut sitzen kann, ist im Allgemeinen das Becken über den Sitzbeinhöckern aufgerichtet. Auch der Kopf ruht senkrecht auf der durchgehend gestreckten Wirbelsäule, sofern er nicht der Blickrichtung des Kindes folgt. Es hat einen geraden Rücken, unabhängig davon, ob es ebenerdig oder auf einer erhöhten Sitzgelegenheit sitzt. Selbst wenn diese eine Lehne hat, lehnt es sich nicht an. Auch ein Kind, das sitzen kann, stützt sich gelegentlich mit einer Hand oder mit beiden Händen ab oder hält sich fest.“
Wenn es aber dann um Beikostempfehlungen geht oder die Diskussion, wann ein Kind im Hochstuhl sitzen darf, dann ist auch immer wieder die Rede vom freien Sitzen. Auch dafür haben wir bei Emmi Pikler eine eindeutige Antwort gefunden:
„Das Kind kann frei sitzen, wenn es sich selbständig aufsetzt oder hinsetzt und selbständig ohne Hilfe oder Stütze sitzt und sich weder mit dem Rücken noch mit den Händen abstützen muss. Es kann sitzen, wenn es diese Position selbständig ändern und verlassen kann und beim Sitzen den Kopf, den Rumpf und die oberen Gliedmaßen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, frei bewegen kann. […] Das Kind kann nicht sitzen, solange es nur mit Hilfe Erwachsener oder mit Hilfe einer anderen Unterstützung wie z. B. Babystühlchen, Kissen oder dergleichen sitzend verharren kann und ohne diese Hilfe umkippen würde. Die genaue Bezeichnung dafür wäre: „Es bleibt gestützt in der Sitzposition“. Das Kind kann auch dann nicht sitzen, wenn es zwar ohne Hilfe und Stütze in der Sitzposition verharrt, aber sich nicht selbst aufsetzen oder niederlegen kann. Die genaue Bezeichnung dafür wäre: „Es verharrt in der Sitzposition“.
Wenn du dich noch mehr in diese Thematik einlesen möchtest, dann empfehlen wir dir „Laßt mir Zeit: Die selbständige Bewegungsentwicklung des Kindes bis zum freien Gehen.“ * nach Emmi Pikler.
Aber auf dem Bauch ist mein Kind nicht mehr zufrieden…..
Ich weiß aus eigener Erfahrung als Mutter, wie anstrengend es ist, wenn Babys auf dem Bauch oder auf dem Rücken liegen und mit dieser Position nicht mehr zufrieden sind. Wenn sie quengeln, raunzen und weinen. Doch gerade der Frust und der Ärger über ihre Position sind der Motor für die weitere motorische Entwicklung, die vom selbst Hinsetzen abhängig ist. Wenn du dein Kind hinsetzt, dann lernt dein Kind vielleicht das Sitzen ohne Hilfsmittel, also das freie Sitzen, doch es wird in anderen Entwicklungsschritten gehemmt, weil es wichtige Bewegungsabläufe nicht selber erfahren hat. Davon betroffen kann das Krabbeln sein –viele Kinder, die zu früh hingesetzt wurden, krabbeln nicht, sondern rutschen am Po durch die Gegend.
Es fehlt ihnen der Schritt, dass sie über das Robben in den Vierfüßlerstand kommen und von dort aus zum Sitzen und Krabbeln. Erst wenn der Vierfüßlerstand und das selbständige Aufsetzen möglich sind, ist auch die Rückenmuskulatur, die unsere Wirbelsäule stützt, soweit ausgebildet, dass das Kind auch länger als ein paar Minuten zum Füttern im Hochstuhl sitzen kann. Ja, Kinder sitzen zuerst, bevor sie krabbeln – wenn in die natürliche Bewegungsentwicklung nicht eingegriffen wird. Wenn du dein Baby vorzeitig hinsetzt, riskierst du Rückenschäden, die mitunter erst nach vielen Jahren auftreten und selten mit dem zu frühen Hinsetzen in Verbindung gebracht werden.
Es gibt auch Kinder, die von selbst in diese Position kommen und dann zu rutschen beginnen – meine dritte Tochter war so eine. Ich habe sie nie zuvor hingesetzt und trotzdem rutschte sie eine Zeitlang auf dem Po durch die Wohnung, ehe sie zu krabbeln begann. Dabei ist das Krabbeln für die Verknüpfung der beiden Gehirnhälften so wichtig und hat Einfluss auf das Einschätzen bewegter Objekte und dem logischen Denken.
An dieser Stelle sei gesagt: Wir möchten niemanden verurteilen. Es gibt genug Eltern, die wissen, dass das frühe Hinsetzen ihrem Kind schaden könnte und sich dennoch dafür entscheiden und es nicht so eng sehen. Das ist dein gutes Recht als Mutter, denn du entscheidest für dich und dein Kind.
Wenn ich als Mutter in Spielgruppen mit meinem Kind dieses Thema angeschnitten habe, dann bemerkte ich, dass es vielen Eltern gar nicht bewusst ist, dass das frühe Hinsetzen ihrem Kind schaden könnte. Und genau diese Eltern möchten wir erreichen. Diesen Eltern möchten wir unsere Gedanken mit auf den Weg geben, damit sie dann entscheiden, wie sie beim nächsten Mal handeln, wenn ihr Kind am Bauch quengelt. Nicht jedes Kind, das zu früh hingesetzt wird, hat später merkliche Schäden. Nicht jedes Kind, das einmal von der Oma gehoppert wird, obwohl es noch nicht sitzen kann, hat später einmal Rückenprobleme. Aber: Folgen des frühen Hinsetzens können nicht gänzlich ausgeschlossen werden – und mit diesem Wissen fällt es dann vielleicht auch leichter, die anstrengenden Quengel-Phasen in der Bauchlage durchzuhalten.
Warum zu frühes Hinsetzen deinem Kind schadet
Werden Kinder zu früh hingesetzt, werden sie in ihrer normalen Bewegungsentwicklung unterbrochen. Wie in vielen Bereichen der kindlichen Entwicklung, baut auch die Bewegungsentwicklung aufeinander auf – dazu muss das Kind die einzelnen Schritte der Bewegungsentwicklung durchmachen und erleben. So wie auch kein Baby zur Welt kommt, das sofort sprechen kann, wird auch kein Baby geboren und kann gleich sitzen. Damit es diese Ziele erreicht, muss es zuvor verschiedene Kompetenzen erwerben, die es ihm dann ermöglichen zu laufen oder zu sprechen.
Zuerst übt dein Baby in Bauchlage den Unterarmstütz, ab dem vierten Monat lernt es den einarmigen Unterarmstütz durch Gewichtsverlagerung. Etwa mit einem halben Jahr stützen sich Kinder mit beiden Händen vom Boden ab – diese Schritte sind wichtig, weil sie die Rücken- und Bauchmuskulatur trainieren und damit die Voraussetzung für das Sitzen schaffen. Langsam gehen sie weiter in den Vierfüßler und kommen so zum Sitzen. Wie das geht und welche Möglichkeiten es gibt, dass dein Kind sitzen lernt, kannst du in unserem Beitrag „Wie Kinder sitzen lernen“ nachlesen.
Wenn du dein Baby aber zu früh hinsetzt, dann sind seine Rückenstreckmuskulatur, die Bauchmuskulatur und die seitliche Rumpfpartie noch nicht ausreichend ausgebildet, um die Last des Körpers durch das Sitzen zu halten. Die Folge: Die Wirbelsäule wird überfordert und die Schulterblätter kommen nicht in die richtige Position. Das frühe Hinsetzen kann zu Fehlstellungen führen, wie etwa Wirbelsäulen-Fehlhaltungen, Sitzkyphose oder eine Skolliose. Aber es sind nicht nur die körperlichen Folgen, sondern auch die Erfahrungen mit Höhe, die ihm nach Emmi Pikler fehlen: Für Kinder ist es wichtig, die Erfahrung mit der Höhe selber machen zu dürfen und nicht gehoben zu werden. Hat es den Weg dorthin selbst nicht gefunden, kommt es auch nicht mehr weg.
Und das kommt beim zu frühen Hinsetzen auch zum Tragen, denn obwohl dein Kind nun die Hände zum Spielen frei hat, ist es in seiner Mobilität eingeschränkt. Es weiß nicht, wie es in die Sitzposition gekommen ist, noch, wie es da wieder rauskommt. Das einzige, was dein Kind machen kann, ist nach dir rufen, wenn sein Spielzeug wegrollt. Es wird quengelig – dabei hast du es doch aus diesem Grund aus der Bauchlage gehoben, oder? Jetzt ist es aber noch mehr von dir abhängig. Während es aus der Bauchlage selber fähig gewesen wäre sein Spielzeug wieder zu holen, muss es dich nun rufen, damit es sein Spielzeug wieder bekommt oder in eine andere Position gebracht wird. Aber dazu kommen wir dann noch später ausführlicher.
Das frühe Hinsetzen hat aber noch mehr Folgen für dein Kind, die du im ersten Moment vielleicht gar nicht bedenkst:
- Neuronale Verknüpfungen im Gehirn finden nicht statt und beeinträchtigen die Motorik
- Dein Baby erfährt „Ich kann das nicht“
- Selbstwirksamkeit und Innere Motivation fehlen deinem Kind
Auf die einzelnen Punkte möchten wir jetzt noch näher eingehen:
Neuronale Verknüpfungen im Gehirn finden nicht statt und beeinträchtigen die Motorik
Wir alle kommen mit einem Gehirn auf die Welt, das über unzählige Verknüpfungen zwischen Nervenzellen verfügt – so viele, dass wir gar nicht alle davon brauchen. Nur jene Verbindungen, die wir regelmäßig aktivieren, die sich damit auch festigen und stabilisieren können, bleiben uns erhalten. Wie fit dein Kind motorisch ist hängt nicht von den Genen ab, wie viele glauben. Das Kind eines Fußballspielers muss nicht zwangsweise sportlich begabt sein – entscheidend für seine künftige Fußballkarriere ist, wie im Laufe der Hirnentwicklung bestimmte Nervenbahnen miteinander verknüpft wurden.
Wenn das Kind seine Kindheit also mehr vor dem Fernseher verbringt und nur Fußball schaut statt Fußball spielt, werden die bereitgestellten Verbindungen für die Bewegung verkümmern. Das bedeutet aber auch, dass ein Kind spezielle Bewegungen nur unzureichend oder gar nicht lernt, wenn es diese nicht üben und festigen kann. Schlimm ist das nicht, das Kind wird nur mit seinen Freunden mal nicht so mitspielen können oder beim Fußball immer als letztes in die Mannschaft gewählt werden.
Darf sich ein Baby hingegen in Ruhe entwickeln und wird es in seiner Bewegungsfreudigkeit auch nicht eingeschränkt, dann beinhaltet diese natürliche Bewegungsentwicklung eine Vielzahl an Mini-Mini-Mini-Schritten, da die nach Außen gar nicht zu erkennen sind. Dennoch bauen sie aufeinander auf und trainieren so immer die Muskelgruppen, die gerade für den nächsten Schritt gebraucht werden. Von alleine lässt kein Baby so einen Mini-Schritt aus – es durchläuft sie alle. Das Auslassen geschieht nur dann, wenn von außen angegriffen wird und das Kind z.B. zu früh hingesetzt wird. So wird das Baby in seiner motorischen Entwicklung unterbrochen, wichtige Nervenbahnen im Gehirn werden durch den Eingriff nicht aktiviert oder es lernt wichtige Zwischenschritte nicht, die es aber brauchen würde, um sich selbst hinzusetzen.
Das frühe Hinsetzen wirkt sich also nicht nur auf den Rücken deines Kindes aus, sondern auch auf sein Gehirn, das plötzlich nicht mehr nachvollziehen kann, wie dein Baby in diese Position gekommen ist. So kann es sich aus dieser auch nicht mehr befreien und dein Baby kippt unkontrolliert nach hinten oder zur Seite. Statt dein Kind nun vor schweren Stürzen mit Pölstern zu sichern wäre es besser, es wieder auf den Bauch zurückzubringen und ihm ermöglichen, diese Erfahrung selber zu machen. Keine Sorge, auch dein Baby will sitzen lernen, weil es in ihm veranlagt ist. Jedes Baby entwickelt sich „nach oben“ – dazu musst du ihm nicht zeigen, was es verpasst.
Natürlich wirst du dein Kind nicht immer vor Stürzen bewahren können – doch Kinder, die ihre eigenen motorischen Erfahrungen machen und sich dabei verletzten, lernen sich zu schützen, sich abzurollen oder Muskeln anzuspannen. Diese Mini-Unfälle helfen ihnen, sich und ihren Körper besser einschätzen zu können und verletzten sich später weniger als überbehütete Kinder. Also: Pack dein Kind nicht in Watte, kleine Unfälle gehören dazu und helfen deinem Kind, sich selbst und seine Fähigkeiten einzuschätzen.
„Ich kann das nicht!“
Es ist anstrengend, wenn dein Kind auf dem Bauch liegt und quengelt. Daneben wirken die sitzenden Kinder doch sehr fröhlich und ausgeglichen – man kann in Ruhe seinen Kaffee trinken, denn das Kind krabbelt nicht mehr weg, es sitzt lange neben einem und gibt Ruhe. Was sich zwar gut anhört, hat nur einen Haken: Dein Kind ist nicht unbedingt zufriedener, nein, es weiß nur nicht, wie es wieder aus der Position herauskommt. Und wehe, sein Spielzeug rollt weg ……
Ja, da haben es die quengelnden Bauchlieger schon besser – die können nachrobben oder nachkrabbeln, die können ihre Position verändern, wenn sie es möchten. Und das Nörgeln hat sogar noch etwas Gutes: Stell es dir vor wie den Motor von deinem Auto. Das Nörgeln ist der Motor des Lernens für dein Kind. Jetzt ist er so richtig angesprungen, kommt richtig in Fahrt und will weiterkommen. Ohne den Motor aufzudrehen, bewegt sich dein Auto keinen Millimeter. So ist es auch bei deinem Kind. Diese kleinen Frustrationen, die es hier aushalten muss, sind der Grundstein für ihre Frustrationstoleranz, für ihr Durchhaltevermögen und ihr Selbstbewusstsein. Ein gewisses Maß an Nörgeln und Unzufriedenheit gehört dazu, dass dein Kind die eigene Kraft und den eigenen Willen aufbringt, sich weiterzuentwickeln.
Kinder, die zu früh hingesetzt werden, müssen diesen Willen nicht aufbringen, um es aus eigener Kraft zu schaffen. Es genügt, wenn sie ein bisschen raunzen und schon kommt ein Erwachsener und setzt sie hin. Wenn das Spielzeug wegrollt, raunzen und schon springt jemand, der nicht nur das eine Spielzeug mitbringt, nein, sondern gleich viele Spielzeuge in Greifnähe um das Kind drapiert. So wird ihm schon die nächste Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit genommen, weil es sich ja nicht einmal anstrengen muss, wieder aus dieser Position zu kommen. Alles wird ihm gereicht und das Kind erfährt „Ich kann das nicht!“.
Es kommt in eine künstliche Abhängigkeit zu seinen Eltern, die so von der Natur nicht vorgesehen ist. Aber die möglichen Folgen gehen noch weiter. Kinder, denen alles abgenommen wird und deren Motor regelrecht abgewürgt wird, trauen sich dann später mal im Kindergarten oder in der Schule in unbekannten Situationen auch nichts zu und kapitulieren gleich mal mit einem „Ich kann das nicht!“. Dabei wünschen wir uns doch, dass unsere Kinder einmal neugierig und wissbegierig in der Schule sind, gerne Neues probieren und offen sind.
Selbstwirksamkeit und Innere Motivation fehlen deinem Kind
Eigentlich müssten wir als Eltern kaum etwas machen, um die Entwicklung in Gang zu bringen. Liebevolle Zuwendung und die Erfüllung der Bedürfnisse genügen, damit sich ein Kind von ganz alleine entwickelt. Dazu haben wir nämlich ein Programm in uns: Wir sind besonders glücklich, wenn wir etwas alleine, selbst, eigenständig schaffen. Das erfüllt uns mit Stolz. Spätestens wenn das Kind so mit zwei Jahren herum einfordert alles selbst zu machen, wird sein Körper – sofern es die Möglichkeit zum Selbstmachen auch bekommt – regelmäßig von Glückshormonen durchströmt und das Selbstbewusstsein wächst. Aber nicht erst mit zwei Jahren erleben Kinder dieses Glücksgefühl, sondern von Beginn an setzt der Körper ein Hormonfeuerwerk frei, das dein Baby in einen kurzen Rausch versetzt – und was will es dann (ähnlich bei allen Suchtabhängigen)? Es will mehr. Der Motor ist angesprungen, die innere Motivation ist startklar. Alles steht auf Betriebssystem „Selber machen“.
Wenn du aber in die Entwicklung eingreifst und dein Baby hinsetzt, dann fehlt ihm dieses Feuerwerk. Es fehlt ihm das Glücksgefühl, das angenehme Gefühl, das es sonst immer spürt, wenn es etwas alleine schafft. Es fehlt die Motivation durchzuhalten und sich anzustrengen, weil es sich am Ende lohnt. Warum sollte ich mich denn anstrengen, wenn am Ende nichts dabei rausschaut?
Keine Sorge, natürlich zerbricht die Selbstwirksamkeit nicht nur daran, weil du dein Kind zu früh hingesetzt hast. Aber du wirst deinem Kind vielleicht oft Hilfe angeboten haben für diverse Schritte und es auch weiterhin tun, sodass dein Kind durch die Fülle von Erfahrungen irgendwann faul wird. Natürlich ist es einfacher, wenn Mama und Papa immer alles erledigen und alle Steine aus dem Weg räumen.
Das erlebte ich im Kindergarten mit der 5-jährigen Iris, die tatsächlich über eine Stunde in der Garderobe weinte, weil sie sich die Socken alleine anziehen sollte. Zu Hause würden das immer Mama und Papa machen, sie muss sich nicht anziehen. Hilfsangebote lehnte sie ab, sie wollte es nicht einmal probieren. „Ich will, dass du das machst“ – und das war nicht der einzige Punkt, in dem dieses Mädchen sehr unselbständig war. Es macht das Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus, dass bei vielen Kindern die Anstrengungsbereitschaft einfach nicht mehr vorhanden ist – das frühe Hinsetzen ist hier sicher nur ein Schritt von vielen.
Jedes Kind entwickelt sich nach seinem Tempo. Manche sind dabei schneller, manche langsamer.
Es gibt jedoch für die natürliche Bewegungsentwicklung einen Plan, der sehr störanfällig ist, wenn von außen eingegriffen wird. Statt es nur gut zu meinen und deinem Kind zu helfen, lehn dich zurück und schau gelassen zu. Kinder wollen sitzen lernen und sie wollen die Welt nach ihrem eigenen Tempo.
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